Benutzer:Admin/Fälle, die gar keine waren
Zuerst erschienen auf blogxy.de am 18. Februar 2014
Das Vortäuschen einer Straftat wird in Deutschland nach §145d StGB bestraft und zieht eine Geldbuße oder sogar eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren nach sich. Auch in über 45 Jahren Fernsehfahndung im ZDF gab es einige Fälle, die sich im Nachhinein als erfunden und selbst aufwändig konstruiert heraus stellten. Trotz umfangreicher Ermittlungsarbeiten im Vorfeld, schafften es die vermeintlichen Opfer mit ihren ausgefeilten Geschichten bis zu Eduard Zimmermann und Aktenzeichen XY.
Dreitägiges Martyrium
Am Sonntag, dem 24. März 1991 meldet sich die 25-jährige Susanne Schneider (Name wie im Filmfall geändert) in Düsseldorf bei der Polizei und erzählt dort eine grausame Geschichte. Sie gibt an, in den vergangenen 3 Tagen in einem Haus irgendwo im Umkreis von Frankfurt festgehalten und mehrfach missbraucht und vergewaltigt worden zu sein. Die junge Frau aus Saarbrücken war am Donnerstag zuvor mit 32.000 DM in bar in die hessische Metropole gereist, um zunächst eine Freundin in Offenbach zu besuchen und dann ein Auto zu kaufen. Bei der Freundin kommt sie jedoch nie an. Die Geschichte, die sie der Polizei später erzählt stellt sich erst einige Jahre später als frei erfunden heraus. Sie sei in einem braunen Opel Kadett zu einem Haus in einem Umkreis von 50-80km um Frankfurt gebracht worden, in dessen Umfeld es stark nach Schwefel gerochen habe. Der letzte Teil der Fahrt habe über eine holprige Straße geführt. Nach 3 Tagen voller Qualen hätten ihre Peiniger sie dann zusammen mit einem dritten Mann in einem Auto nach Düsseldorf gefahren und dort ausgesetzt. Nachdem die Ermittlungen der Polizei ins Leere laufen, wird der Fall am 7. Februar 1992 in Aktenzeichen XY ausgestrahlt. Hier wird sogar ein Modell des Kellers gezeigt, in dem Susanne Schneider angeblich festgehalten worden war und von dem sie eine sehr exakte Beschreibung abgeliefert hatte. Die Fragen, die die Kriminalpolizei an die Zuschauer hat, beziehen sich vor allen Dingen auf die beiden Täter, zu denen das angebliche Opfer eine genaue Beschreibung abgibt und die Frage nach dem Standort des Hauses. Die junge Frau gibt sogar an, dass die beiden Haupttäter einmal Burger geholt hätten, die noch warm gewesen seien. Die Polizei sucht also nach einem mehrstöckigen Haus in der Nähe eines Gewerbegebietes, mit einem McDonalds in der Nähe. Dass all dies nur einer blühenden Phantasie entsprang, konnte im Februar 1992 bei Ausstrahlung des Falls noch niemand ahnen. Im Buch “Aktenzeichen XY …ungelöst – Kriminalität, Kontroverse, Kult” von Stefan Ummenhofer und Michael Thaidigsmann wird von der Aufklärung berichtet. Warum die 25-jährige sich die Geschichte so zurechtlegte, ist nicht bekannt. Es wird spekuliert, dass sie das Geld verloren habe und es ihrem Vater nicht beichten wollte, der sie beim Autokauf finanziell unterstützt hatte. Sachdienliche Hinweise über das Motiv nehme ich gerne als Kommentar entgegen.
"Kaspar Hauser"
Der vermutliche erste erfundene Fall der Fernsehfahndung ist unter dem Titel des bekannten Findelkindes “Kaspar Hauser” bekannt geworden. Der Arbeitstitel des Films, der am 28. Januar 1977 in XY ausgestrahlt wurde, rührt daher, dass auch das vermeintliche Opfer dieses Falls scheinbar niemals gelernt hatte zu sprechen oder es durch ein schockierendes Erlebnis wieder verlernt hatte. Spezialisten der Universitätsklinik Zürich stellten damals fest, dass es sich nicht um einen Simulanten handele, ein Trugschluss wie sich später herausstellen sollte. Am 4. Juli 1976 war der junge Mann zum ersten Mal auffällig geworden. Bei einer Kontrolle in einem Züricher Bus hatte der südländisch wirkende Fahrgast keine entwertete Fahrkarte. Da die Kontrolleurin sich mit ihm nicht verständigen konnte und ihn für taubstumm hielt, entwertete sie seine Fahrkarte und verzichtete auf ein Bußgeld. Zwei Tage später wird er von Polizeibeamten vor dem Landesmuseum in der Nähe des Hauptbahnhofes aufgegriffen. Ihnen gegenüber zeigt er einen Zettel vor, der seinen Namen und sein Geburtsdatum enthält, nach dem er 20 Jahre alt ist. Auch im weiteren Verlauf des mysteriösen Falls kann sich der Mann nur mit Zeichnungen verständig machen, er gibt an mit einer Frau in einem grünen Wagen aus Deutschland nach Zürich gekommen zu sein. Diese Frau sei ihm nicht unbekannt, da er mit ihr bereits einmal auf einem Schiff nach Kanada gefahren sei. Nachdem der junge Mann einer logopädischen Behandlung unterzogen worden ist, lernt er das Sprechen anscheinend teilweise wieder. So berichtet er von mehreren Personen, mit denen er in einer deutschen Stadt in der Rudolfstraße zusammengelebt habe. Er erzählt von den Nachbarn, einer gehbehinderten Frau und einem Ehepaar mit Kind – und einer Frau namens Elisabetha, der er sein Gehalt als Straßenbauer habe geben müssen. Die Ermittler gehen davon aus, dass der junge Mann vermutlich in der Türkei geboren sei. Er selbst gibt an, Autofahren zu können, was die Ermittler auch überprüfen. Im Filmfall spielt der junge “Kaspar Hauser” sich selbst, was die Geschichte unter heutigem Kenntnisstand noch amüsanter machen würde, sei für die Ausstrahlung dieses Falls nicht wertvolle Sendezeit vergeudet worden, in denen man andere Fälle hätte vorstellen können. Nach der XY-Sendung im Januar 1977 geht alles recht schnell. Wenige Stunden nach der Sendung meldet sich eine Verwandte des Manns, die entgegen der Experteneinschätzung angibt, dass es sich beim angeblichen Opfer sehr wohl um einen Simulanten handeln würde, der sich auf diese Art eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland erschleichen wolle. Der junge Mann wird umgehend in seine Heimat – das ehemalige Jugoslawien – abgeschoben und “lässt viele beteiligte Ermittler perplex zurück” wie es so schön im bereits o.g. Buch “Aktenzeichen XY …ungelöst – Kriminalität, Kontroverse, Kult” formuliert ist.