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Benutzer:Admin/Gegen das Establishment - Die RAF und XY

Aus Aktenzeichen XY ... ungelöst - Wiki
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Zuerst erschienen auf blogxy.de am 14. Dezember 2016

Am 2. Juni 1967 wurde der 26-jährige Student Benno Ohnesorg während des Berlin-Besuchs des Schahs Mohammad Reza Pahlavi unter bis heute nicht vollständig geklärten Umständen vom Polizeiobermeister Karl-Heinz Kurras erschossen. Das Datum gilt als der Beginn der Radikalisierung von Teilen der Studentenbewegung und Mitauslöser der Gründung der Rote Armee Fraktion. In ihrer blutigen Geschichte ermordeten Terroristen der RAF zwischen 1971 und 1993 34 Personen, darunter vor allem führende Köpfe aus Wirtschaft und Politik. Genau in die Zeit der zunehmenden Studentenunruhen fiel der Sendestart der von Eduard Zimmermann ins Leben gerufenen neuen Sendung Aktenzeichen XY … ungelöst am 20. Oktober 1967. Kein Wunder also, dass es immer wieder Berührungspunkte zwischen der später gegründeten RAF und XY mit Eduard Zimmermann gab.

Als offizielle Geburtsstunde der RAF gilt heute die gewaltsame Befreiung Andreas Baaders im “Deutschen Zentralinstitut für Soziale Fragen” am 14. Mai 19701). Baader war an diesem Tag von der Strafanstalt Berlin-Tegel in die Dahlemer Miquelstraße gebracht worden, da die Journalistin Ulrike Meinhof als Vorwand angegeben hatte, ein gemeinsames Buch über “randständige Jugendliche” schreiben zu wollen. Die gemeinsame Flucht mit den an der Befreiung beteiligten Terroristen bedeutete für Ulrike Meinhof zugleich das Abtauchen in den Untergrund und die Illegalität. Am 22. Januar 1971 wurde dann das erste Mal bei Aktenzeichen XY … ungelöst nach Ulrike Meinhof und “einer Gruppe von Mittätern” gefahndet.

Doch dies war nicht der erste Berührungspunkt zwischen XY und der späteren RAF. Bereits im Jahr 1968 hatte die Journalistin einen Artikel veröffentlicht, der sich mit der Fernsehfahndung befasste. Ulrike Meinhof schrieb damals für die linke Zeitschrift konkret und übte in dieser Funktion massive Kritik an der von Eduard Zimmermann ins Leben gerufenen Sendung, welche gerade zum zehnten Mal ausgestrahlt worden war. Vor allen Dingen kritisierte sie, dass Kriminelle zu den Sündenböcken der deutschen Geschichte gemacht würden. Die Taten derer, die durch die Sendung gesucht würden, seien Bagatellen gegen die Verbrechen der Nationalsozialisten. Dennoch würden sie den Fernsehzuschauern “zur Beute hingeworfen”. Aktenzeichen XY … ungelöst sei darüber hinaus aufgrund der geringen Quantität der Verbrechensbekämpfung ein Betrug am Zuschauer; die Sendung sei nur dazu da festzustellen, “inwieweit Kriminelle sich als Hassobjekte in Deutschland und Österreich eignen und inwieweit Deutsche und Österreicher auf diese faschistische Manier mobilisierbar und gleichzeitig kontrollierbar” seien.2)

Nunja! Zurück zum 22. Januar 1971: In der 33. Ausgabe von Aktenzeichen XY … ungelöst bat Eduard Zimmermann die ZDF-Zuschauer also zum ersten Mal um Mithilfe bei der Suche nach Ulrike Meinhof. Im Fahndungsaufruf war interessanterweise noch nicht die Rede von der RAF, obwohl am 5. Juni 1970 in der Zeitschrift Agit 883 der Text “Die Rote Armee aufbauen!” erschienen war, der die Gründung der terroristischen Vereinigung programmatisch erklärte3). Darüber hinaus erschien nur 10 Tage später ein Interview mit Ulrike Meinhof im Spiegel, welches sie mit der Journalistin Michèle Ray aus dem Untergrund geführt hatte, in welchem sie auch der breiteren Öffentlichkeit die Gründung der RAF verkündete und die Baader-Befreiung rechtfertigte4). Zwischen der Gründung der RAF und der ersten Fahndung bei XY machte die Gruppe vor allem mit Banküberfällen auf sich aufmerksam. Am 29. September 1970 erbeuteten die Terroristen in drei Banken über 200.000 DM5). Zuvor hatte sich die Gruppe, die inzwischen aus beinahe 20 Personen bestand, in einem Camp der Fatah in Jordanien militärisch ausbilden lassen6). Eduard Zimmermann bat vor allem Wohnungsmakler und Autoverleiher um besondere Aufmerksamkeit, da bereits bekannt war, dass die RAF immer wieder neue konspirative Wohnungen und Fahrzeuge angemietet hatte.

“Es gibt offensichtlich eine ganze Menge Leute hierzulande, die es wahrscheinlich schick finden, Bankräuber und Mörder zu unterstützen, ihnen Unterschlupf zu gewähren und ihnen gelegentlich auch ein bisschen Geld (sic!) oder mit wichtigen Nachrichten auszuhelfen.” So eröffnete Eduard Zimmermann die 41. Ausgabe von Aktenzeichen XY … ungelöst am 29. Oktober 1971. Die RAF war im Laufe des Jahres 1971 auf etwa 50 Mitglieder angewachsen7). Anlass für die erneute Fahndung bei XY war der erste Mord der Baader-Meinhof-Gruppe am Polizisten Norbert Schmid in Hamburg. Dieser war am 22. Oktober 1971 mit seinem Kollegen Heinz Lemke in einem zivilen Fahrzeug im Hamburger Stadtteil Poppenbüttel unterwegs. Am dortigen S-Bahnhof machten sie eine verdächtige Person aus. Es handelte sich um Margrit Schiller. Bei der Überprüfung und anschließenden Verfolgung wurde Norbert Schmid schließlich von Gerhard Müller erschossen8). Dieser war – zusammen mit Ulrike Meinhof – zu Hilfe geeilt. Margrit Schiller wurde nach einer Großfahndung noch in derselben Nacht verhaftet, Ulrike Meinhof und Gerhard Müller blieben flüchtig. Ein besonderes Augenmerk legte Eduard Zimmermann in der ZDF-Sendung am Abend des 29. Oktober – also eine Woche nach dem Mord – auf einen Schlüsselbund, der bei Margrit Schiller gefunden worden war. Die Schlüssel passten nicht auf die den Beamten bekannte Wohnung Margrit Schillers. Daher sei es wichtig zu wissen, wo sich die Terroristin vor den Wochen des Mordes aufgehalten habe. Außerdem wurde in der Sendung nach Holger Meins und Gudrun Ensslin und einem bis dato nicht identifizierten Mann gefahndet, von dem nur ein Foto bei Margrit Schiller gefunden wurde. In der Sendung sprach Eduard Zimmermann der RAF eine politische Motivation ihrer Taten ab, es sei “seit Monaten klar […], dass die Gruppe nur noch von Gewaltverbrechen mit rein kriminellen Motiven” lebe. Ähnlich äußerte sich nach der Festnahme Schillers auch der Hamburger Bürgermeister Peter Schulz: “Man sollte jetzt endlich aufhören, falls es sich erweist, dass die Baader-Meinhof-Gruppe für diesen Mord verantwortlich zu machen ist, diese Gruppe als Zusammenschluss mit politischen Zielsetzungen zu sehen. Dieses ist eine rein kriminelle Gruppe im wahrsten Sinne des Wortes.”9).

Mitten in die sog. Mai-Offensive der Rote Armee Fraktion fiel die nächste Öffentlichkeitsfahndung durch Aktenzeichen XY … ungelöst am 19. Mai 1972. Bei den Bomben-Anschlägen auf

  • das Hauptquartier des V. Korps der amerikanischen Streitkräfte in Frankfurt am Main am 11. Mai 1972,
  • die Augsburger Polizeidirektion am 12. Mai 1972, das Landeskriminalamt und die Landesbesoldungsstelle in München – ebenfalls am 12. Mai 1972,
  • Wolfgang Buddenberg, Haft- und Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (bei dem seine Frau schwer verletzt wurde) am 15. Mai 1972,
  • das Axel-Springer-Verlagshaus in Hamburg am 19. Mai 1972 und schließlich
  • das Hauptquartier der 7. US-Armee in Heidelberg am 24. Mai 1972

wurden 4 Menschen getötet und 74 weitere zum Teil schwer verletzt. Die Bombenanschläge brachten für die RAF nicht den erwünschten Effekt. Da die Gruppe inzwischen auch die körperliche Unversehrtheit unbeteiligter Personen in Kauf nahm, wurde sie gerade in den Tagen der Mai-Offensive auch in vielen linksgerichteten Kreisen, die bis dato zum Teil noch große Sympathien für die Baader-Meinhof-Bande gehegt hatten, immer mehr zur Gruppe-non-grata10). Horst Herold, Präsident des Bundeskriminalamts, spürte vielleicht die Verunsicherung der Gruppe, als er zur “Aktion Wasserschlag” rief. Am 31. Mai 1972 wurde die Bundesrepublik laut Herold “richtig durchgeklopft”11). Alle verfügbaren Hubschrauber flogen über die Bundesautobahnen und sperrten zeitweise die Auf- und Abfahrten. Ein großes Verkehrschaos war die Folge, für welches die in diesen Tagen verunsicherten Deutschen aber – entgegen der Meinung und Hoffnung der RAF – Verständnis zeigten.12)

Zurück zu Aktenzeichen XY … ungelöst: Auch Eduard Zimmermann setzte am 19. Mai 1972, also am Abend der Anschläge auf das Axel-Springer-Verlagshaus in Hamburg, auf die Öffentlichkeitsfahndung und eröffnete die ZDF-Sendung mit dem Thema RAF. So zeigte er den Zuschauern die Überreste einer braunen Tasche, die in der Augsburger Polizeidirektion gefunden wurde und in dem einer der Sprengsätze transportiert wurde und eine Rohrbombe, welche nicht gezündet hatte. Hier stellte er vor allem den teilweise ungewöhnlichen technischen Aufbau der Bombe vor und fragte die Zuschauer, ob jemand Teile dieser Bombe verkauft oder gefertigt hätte. Die ausgelobte und in der Sendung besonders erwähnte Belohnung lag zum damaligen Zeitpunkt bei 165.000 DM.

Die “Aktion Wasserschlag” und die verstärkte Öffentlichkeitsfahndung zeigten Wirkung. Bereits am 1. Juni 1972 konnten in einer spektakulären Polizeiaktion in einer Garage in Frankfurt nach einem Schusswechsel die Terroristen Jan-Carl Raspe, Holger Meins und Andreas Baader festgenommen werden13). Nur eine Woche später, am 7. Juni 1972, wurde Gudrun Ensslin in der Boutique “Linette” am Hamburger Jungfernstieg nach kurzem Kampf mit zwei Polizeibeamten überwältigt. Die Besitzerin des Geschäfts hatte die Polizei verständigt, nachdem sie bei der jungen Frau zufällig eine Pistole entdeckt hatte14). Am 15. Juni 1972 konnten dann Gerhard Müller und Ulrike Meinhof festgenommen werden. Sie hatten sich nach Hannover abgesetzt und wolltem beim Lehrer Fritz Rodewald unterkommen. Dieser alarmierte die Polizei, die zunächst Müller in einer nahen Telefonzelle festnahmen und dann die sich heftig zur Wehr setzende Ulrike Meinhof in der Wohnung überwältigten15). Somit waren wenige Wochen nach der “Aktion Wasserschlag” die führenden Köpfe der ersten Generation der RAF hinter Gittern. Einige weitere RAF-Mitglieder konnten ebenfalls in diesen Tagen im Sommer 1972 verhaftet werden: Brigitte Mohnhaupt (9. Juni in Berlin), Siegfried Hausner (19. Juni in Stuttgart) und Klaus Jünschke und Irmgard Möller (9. Juli in Offenbach).

Beinahe 5 Jahre lang tauchte das Thema RAF dann nicht mehr bei Aktenzeichen XY … ungelöst auf. Erst am 11. März 1977 bat Eduard Zimmermann die ZDF-Zuschauer wieder um Mithilfe (das erste Mal übrigens in Farbe). Es war die Zeit der Stammheimer Prozesse. Es wurde viel über Isolationshaft diskutiert, Amnesty International schaltete sich ein und die Bilder von Holger Meins, der am 9. November 1974 in der JVA Wittlich in Folge eines Hungerstreiks verstarb, brachten der RAF die größte Sympathiewelle seit langer Zeit. Ulrike Meinhof hatte sich am 9. Mai 1976 an ihrem Zellenfenster in Stammheim erhängt und Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe und Irmgard Möller saßen im Hochsicherheitstrakt der JVA Stuttgart-Stammheim. Doch das Thema RAF sollte noch lange nicht erledigt sein – auch nicht bei Aktenzeichen XY … ungelöst.

Am 11. März 1977 also schaltete Eduard Zimmermann zu Peter Nidetzky nach Wien, der Fotos von Christian Klar und Günter Sonnenberg (allerdings unter dem falschen Namen Johann Roman) zeigte, nach denen wegen des versuchten Mordes an einem schweizer Zollbeamten gefahndet wurde. Die beiden gehörten zur zweiten Generation der RAF, die sich recht schnell nach der Festnahme der Baader-Meinhof-Gruppe gegründet hatte und nach den Anführern Siegfried Haag und Roland Mayer zunächst in den Medien als Haag-Mayer-Bande Schlagzeilen machte. Nach der Festnahme Haags im November 1976 übernahm Brigitte Mohnhaupt, frisch aus der Haft entlassen, die Führung. Im Jahr 1977 erreichte der Terror der zweiten Generation der Rote Armee Fraktion dann ihren Höhepunkt. Zunächst wurde am 7. April 1977 der Generalbundesanwalt Siegfried Buback, sein Fahrer Wolfgang Göbel sowie Georg Wurster, Chef der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft ermordet. Eine großangelegte Ringfahndung nach den Tätern, die von einem Motorrad aus auf den Dienst-Mercedes des Generalbundesanwaltes gefeuert hatten, blieb erfolglos16).

“Um unseren ersten heutigen Fall anzukündigen, genügt ein einziges Stichwort: Attentat auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine beiden Begleiter – die bisher letzte Bluttat deutscher Terrorgruppen”. So begrüßte Eduard Zimmermann am 22. April 1977 die XY-Zuschauer. Er wies darauf hin, dass der Terror in “neuerer Zeit” international operieren würde. Daher wandten sich die zuständigen Behörden in Deutschland, Österreich und der Schweiz an die jeweiligen Zuschauer. Aus der “Haag-Gruppe” befanden sich zu diesem Zeitpunkt Christian Klar, Günter Sonnenberg, Knut Folkerts und Adelheid Schulz auf freiem Fuß. Vorgestellt wurden die bis dato bekannten Aufenthaltsorte der gesuchten Terroristen. In diesem Zusammenhang schaltete Eduard Zimmermann zu Konrad Toenz und Peter Nidetzky, die die jeweiligen Bewegungsprofile der Gruppenmitglieder in ganz Europa darstellten. Trotz der Öffentlichkeitsfahndung ermordeten Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt am 30. Juli 1977 den Vorstandssprecher der Dresdner Bank AG, Jürgen Ponto.

Es folgte eines der wohl dunkelsten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte: der “Deutsche Herbst”. Nach der Verschleppung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer verlangten die Entführer die Freilassung von elf Gefangenen der RAF. Da die Bundesregierung um Helmut Schmidt sich nicht erpressen ließ, entführten Terroristen der PFLP daraufhin am 13. Oktober 1977 die Lufthansa-Maschine “Landshut”. Am Flughafen Mogadischu wurde die Maschine dann durch die GSG 9 gestürmt und alle Geiseln befreit. Daraufhin begingen die inhaftierten RAF-Terroristen Baader, Ensslin und Raspe in der sog. Stammheimer Todesnacht Selbstmord. Irmgard Möller überlebte ihren Suizidversuch. Hanns Martin Schleyer wurde von seinen Entführern erschossen – seine Leiche wurde am 19. Oktober 1977 entdeckt.17) Auch in den folgenden Jahren verübte die RAF mehrere Anschläge und Banküberfälle, so beispielsweise auf den europäischen NATO-Oberbefehlshaber Alexander Haig am 25. Juni 1979, welcher jedoch unverletzt blieb. Am 19. November 1979 überfielen vier RAF-Mitglieder eine Bank in Zürich. Bei der anschließenden Flucht kam es zu einer Schießerei, bei welcher eine Passantin getötet wurde.

Nach einem Anschlag auf das Hauptquartier der US-Luftstreitkräfte in Ramstein mit 14 Verletzten fahndete Aktenzeichen XY … ungelöst am 22. September 1981 mit einem angeblich neuen Foto nach Christian Klar, welches ihn in einem roten Ford mit Kölner Kennzeichen zeigte. Bereits kurz nach der Ausstrahlung meldete sich ein Kölner Student, der sich auf dem Foto erkannt hatte und nur eine große Ähnlichkeit mit Christian Klar aufwies. Eine Verwechslung, welche der heutige Aktenzeichen XY – Moderator Rudi Cerne nur zu gut kennt. Am 13. November 1981 korrigierte Eduard Zimmermann daher den Fehler aus der Septembersendung und XY strahlte tatsächlich ein aktuelles Foto von Christian Klar sowie von Brigitte Mohnhaupt und Gisela Dutzi aus. In dieser Sendung wurden auch mehrere Fahrzeuge gezeigt, welche die Terroristen bei verschiedenen Anschlägen verwendet hatten. Am 21. Mai 1982 wurde der Fahndungsaufruf noch einmal wiederholt – dieses Mal erweitert durch Fahndungsbilder von Adelheid Schulz und Inge Viett sowie weitere Hinweise auf die von den Terroristen genutzten Fahrzeuge. Am 11. November 1982 konnten Adelheid Schulz und Brigitte Mohnhaupt in einem Waldstück bei Heusenstamm (Hessen) festgenommen werden, nachdem zwei Pilzsammler Ende Oktober 18 Erddepots entdeckt hatten, in denen nicht nur Waffen, Ausweise und Bargeld gefunden wurde, sondern auch wichtige Hinweise auf konspirative Wohnungen und Verstecke. Am 16. November 1982 wurde auch Christian Klar im Sachsenwald bei Hamburg verhaftet. Dennoch wandte sich Eduard Zimmermann am 26. November 1982 noch einmal an die ZDF-Zuschauer, da die Gefahr, die vom Terrorismus ausgehe nicht beseitigt sei. Es käme nun darauf an, die organisatorische Basis und das Umfeld zu untersuchen. Hierbei zeigte Aktenzeichen XY … ungelöst auch die Standorte der bis dato entdeckten Depots. Darüber hinaus wurden noch einmal die Fahndungsbilder der noch auf freiem Fuß befindlichen Terroristen Inge Viett, Ingrid Jakobsmeier, Henning Beer, Helmut Pohl und Gisela Dutzi gezeigt. Bis 1984 konnte die Polizei durch Überwachung der Depots und Wohnungen nahezu alle RAF-Terroristen der zweiten Generation festnehmen. Die RAF galt damit logistisch als zerschlagen.18)

Wohl gerade wegen der sich für die Terroristen immer weiter zuziehenden Schlinge und der damit verbundenen Nötigkeit neuer Verstecke und konspirativer Wohnungen strahlte Aktenzeichen XY … ungelöst am 8. Juli 1983 einen “Vorbeugungs-Film” aus, welcher eine neue Methode der Terroristen zeigte, an neue Unterschlüpfe zu gelangen. Sie mieteten sich als sog. Zwischenmieter (z.B. in den Semesterferien) bei arglosen jungen Leuten ein, die später dann mühevoll erklären müssten, nicht zu den Terroristen zu gehören. Es handelte sich bis dahin um den einzigen Beitrag zum RAF-Terror bei XY, der als Filmbeitrag ausgestrahlt wurde. In Zusammenhang mit dieser Prävention fahndete Eduard Zimmermann als Studiofall 3 der Sendung für das BKA Wiesbaden dann erneut nach einigen Terroristen, namentlich Henning Beer, Inge Viett, Günter Rausch, Ingrid Jakobsmaier und Helmut Pohl. Sie hatten genau auf die zuvor beschriebene Art und Weise versucht, an neue konspirative Wohnung zu gelangen. Von den gesuchten Terroristen waren Hennig Beer und Inge Viett zu diesem Zeitpunkt bereits in die DDR abgetaucht19), Günter Rausch stellte sich am 17. Oktober 1983 in der Deutschen Botschaft in Paris selbst20) und Ingrid Jakobsmaier und Helmut Pohl wurden am 2. Juli 1984 verhaftet. In einer neuen konspirativen Wohnung in Frankfurt am Main war einem der RAF-Terroristen, die dort den Wiederaufbau der Gruppe planten, seine Pistole losgegangen. Das Projektil durchschlug den Fußboden und ein im Stockwerk darunter wohnender Elektromeister rief die Polizei. Neben Jakobsmaier und Pohl konnten die herbeigeeilten Polizisten an jenem Montag in Frankfurt vier weitere RAF-Mitglieder festnehmen: Christa Eckes, Stefan Frey, Barbara Ernst und Ernst-Volker Staub. Doch obwohl in der Wohnung wichtige Dokumente der Terrorgruppe sichergestellt werden konnten (insgesamt 8.400 Blatt (!)), welche Strategien und spätere Anschlagsziele darlegten, war die RAF noch immer nicht Geschichte.

Genau um diese wichtigen Unterlagen, welche in der konspirativen Wohnung in Frankfurt gefunden wurden, ging es dann auch 11 Tage später in der XY-Sendung vom 13. Juli 1984. So bat Eduard Zimmermann die Zuschauer um Mithilfe, da die Gefahr erneuter Anschläge längst nicht ausgeschlossen sei. In diesem Zusammenhang seien Beobachtungen von besonderer Wichtigkeit, die zu weiteren Sympathisanten oder Mitgliedern der Terrororganisation führen würden. Als von besonderem Wert bezeichnete Eduard Zimmermann dabei die (fast grotesken) Fotos, welche Ingrid Jakobsmaier und Helmut Pohl in alltäglichen Situationen abbildeten und die zuvor ebenfalls in der Frankfurter Wohnung sichergestellt worden waren.

Welche Gefährlichkeit trotz Festnahmen und Abtauchens einzelner Mitglieder weiterhin von der Terrorgruppe ausging, wurde am 1. Februar 1985 traurige Gewissheit. Die sich später als “Kommando Patsy O’Hara” zum Anschlag bekennenden Terroristen der RAF, erschossen an diesem Morgen Ernst Zimmermann, seinerzeit Vorstandsvorsitzender der Maschinen- und Turbinenunion (MTU). Wer genau sich unter einem Vorwand Zutritt zum Privathaus der Zimmermanns in Gauting (Kreis Starnberg) verschaffte und den Manager erschoss, konnte nie geklärt werden – doch die dritte Generation der RAF hatte ihren ersten Mord begangen. Am 7. August 1988 wurde dann der US-Soldat Edward Pimental von einem unbekannten Terroristen erschossen. Dieser Mord hatte einzig und allein die Zielsetzung an Pimentals Identification Card zu gelangen. Dieses wurde auch in der linken Szene heftig kritisiert und später von der RAF als Fehler bezeichnet. Doch zunächst verschafften sich Terroristen mit ebendieser Identification Card am 8. August 1988 Zutritt zur Rhein-Main Air Base und deponierten dort einen VW Passat mit insgesamt 126 kg Sprengstoff: Eine tote Zivilistin, ein toter US-Soldat und 23 Verletzte waren die Folge.21)

Um den Anschlag auf die Rhein-Main Air Base ging es dann auch im letzten Studiofall der XY-Sendung am 27. September 1988. Eduard Zimmermann zeigte den ZDF-Zuschauern die Gasflaschen und geschweißten Eisenwürfel, welche als Sprengkörper gedient hatten. Er betonte, dass für die Herstellung solcher Sprengkörper nicht nur eine große Fachkenntnis sondern “genau genommen eine komplette Schlosserwerkstatt” vonnöten seien und fragte, wer Hinweise zur Herstellung oder Beschaffung der Materialien geben könne. Außerdem bat Zimmermann die XY-Zuschauer um Hinweise zum präparierten Passat, welcher einige Zeit zuvor von den Terroristen auf einem privaten Automarkt angekauft worden war. Den in der Sendung als tatverdächtig eingestuften Sigrid Sternebeck und Andrea Klump konnte eine Tatbeteiligung am Anschlag jedoch nie nachgewiesen werden, stattdessen wurden 1993 bzw. 1994 die RAF-Mitglieder Eva Haule und Birgit Hogefeld als tatverdächtig identifiziert und mussten sich vor Gericht verantworten. Beide wurden zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt.

Nach Birgit Hogefeld wurde bereits in der XY-Sendung am 29. November 1985 gefahndet. Sie wurde verdächtigt, unter falschem Namen ein Auto angekauft zu haben, welches am 3. Juni 1985 für einen Überfall auf einen Geldtransporter in Kirchentellinsfurt im Landkreis Tübingen verwendet worden war. Dabei wurde der Geldbote schwer verletzt und insgesamt 157.700 DM erbeutet.22) Auf die Spur der RAF-Terroristen war die Polizei bei der Aushebung einer konspirativen Wohnung am 11. September 1985 in Tübingen gestoßen, bei denen Gegenstände aus dem angekauften Fahrzeug gefunden wurden. Doch es ging Eduard Zimmermann im XY-Beitrag am 29. November 1985 nicht nur um die Fahndung nach den mutmaßlichen Terroristen der dritten Generation der RAF; vielmehr stand der Beitrag genau wie jener vom 8. Juli 1983 unter dem Schlagwort “Vorbeugung”. So ging es zum Ende des Beitrags erneut um die Anmietung konspirativer Wohnungen, Eduard Zimmermann wies aber auch explizit darauf hin, sich beim Verkauf eines Autos zwingend einen Personalausweis zeigen zu lassen.

Rund eineinhalb Jahre tauchte das Thema RAF dann nicht mehr bei Aktenzeichen XY auf, die terroristischen Morde und Anschläge jedoch gingen weiter. Am 9. Juli 1986 wurde Karl Heinz Beckurts, Physiker und Manager bei Siemens, gemeinsam mit seinem Chauffeur Eckhard Groppler bei einem Sprengstoffanschlag in Straßlach bei München getötet. Obwohl sich zum Anschlag das „Kommando Mara Cagol“ der RAF bekannte, konnte nie jemand für diese Morde zur Rechenschaft gezogen werden. Genauso verhielt es sich beim Mord am 10. Oktober 1986. An diesem Tag wurde der Ministerialdirektor des Auswärtigen Amtes, Gerold von Braunmühl, von zwei vermummten Personen vor seinem Privatwohnsitz in Bonn-Ippendorf erschossen. Auch hier bekannte sich das RAF-Kommando Ingrid Schubert zur Tat, explizit tatverdächtige Personen konnten bis heute jedoch nicht ermittelt werden.

Am 3. Mai 1987 war die RAF dann im Zusammenhang mit den Anschlägen auf die Deutsche Entwicklungsgesellschaft in Köln wieder Thema bei Aktenzeichen XY … ungelöst. Dort war am 19. Dezember 1986 in einem Großraumbüro ein Sprengsatz in einem Rucksack deponiert worden, welcher einen Sachschaden in Höhe von 250.000 DM verursachte.23) Zu den Anschlägen bekannte sich die „Kämpfende Einheit Rolando Olalia“ der RAF. Eduard Zimmermann zeigte als kurzen Studiofall der Sendung das Rucksackmodell, doch auch hier konnte ein genauer Täter nie identifiziert werden. Genauso verhält es sich bis heute auch in den letzten beiden Morden der Rote Armee Fraktion. Am 30. November 1989 wurde der Sprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen in Bad Homburg durch eine Sprengstofffalle getötet, sein Chauffeur wurde dabei schwer verletzt. Bereits einen Tag später war der Mord als erster Fall bei Aktenzeichen XY … ungelöst zu sehen. Laut Eduard Zimmermann hatten vor der Sendung viele Zuschauer angefragt, ob sich XY an den Fahndungsmaßnahmen beteiligen würde. Und tatsächlich hatten sich bereits erste Fragen an die Zuschauer ergeben: So bat Eduard Zimmermann die Zuschauer bei einem in Frankfurt sichergestellten Lancia Y10 um Mithilfe. Der Wagen war 6 Wochen zuvor von einem unbekannten Mann unter falschem Namen angemietet worden, dessen Foto ebenfalls in der Sendung zu sehen war. Trotz der sofortigten Fahndung konnte der Mord an Alfred Herrhausen nie lückenlos aufgeklärt werden, ebenso verhielt es sich bei dem bis dato letzten Mord der RAF am Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder am 1. April 1991 in Düsseldorf – dieser war auch nie Thema bei Aktenzeichen XY … ungelöst.

Einen guten Monat später wurde jedoch in einem ganz anderen Zusammenhang die RAF wieder zum Thema in der ZDF-Fahndungssendung. Am 3. Mai 1991 bat Eduard Zimmermann die XY-Zuschauer um Mithilfe bei der Fahndung nach Helmut Voigt alias Helmut Volkmann. Dieser wurde verdächtigt, RAF-Terroristen als Mitarbeiter des Ministerium für Staatssicherheit der ehem. DDR bei der Vorbereitung und Durchführung von Sprengstoffanschlägen unterstützt zu haben. Helmut Voigt hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits nach Griechenland abgesetzt, wo er 1992 festgenommen wurde. Nach seiner Auslieferung nach Deutschland wurde er 1994 vom Landgericht Berlin wegen Beihilfe zum Mord zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.24)

Beinahe 25 Jahre gab es nach dem 3. Mai 1991 keine Berührungspunkte mehr zwischen der RAF und Aktenzeichen XY … ungelöst. Am 20. April 1998 hatte die Rote Armee Fraktion in einem Schreiben an die Nachrichtenagentur Reuters ihre Auflösung bekannt gegeben. Noch während ich im Januar 2016 anfing an diesem Blogbeitrag zu schreiben, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es noch einmal eine Fahndung nach RAF-Terroristen bei Aktenzeichen XY geben würde. Doch wie sich herausstellte, gingen die Überfälle auf Geldtransporte im Juni 2015 in Groß-Mackenstedt, im Dezember 2015 in Wolfsburg und im Juni 2016 in Braunschweig auf das Konto der RAF-Terroristen Klette, Staub und Garweg. Zwar sind sich RAF-Experten und Staatsanwaltschaft Verden einig, dass es wohl keine Bestrebungen geben wird, eine vierte Generation der RAF ins Leben zu rufen, sondern es um eine reine Geldbeschaffung geht25), dennoch zeigen die jüngsten Ereignisse, dass die Terroristen der RAF immer noch eine hohe kriminelle Energie mitbringen…

…und dementsprechend auch weiterhin ein Thema für Aktenzeichen XY … ungelöst sind.

Quellenverzeichnis

1) Stefan Aust: Der Baader Meinhof Komplex. Wilhelm Goldmann Verlag, München, 8. Auflage 2008, S. 26
2) Ulrike Meinhof: Aktenzeichen XY – aufgelöst. In: konkret, 17/1968, S. 10/11
3) vgl. agit 883, Nr. 62, 5. Juni 1970, S. 6.
4) vgl. Wikipedia: Rote Armee Fraktion / Erste Generation
5) Stefan Aust: Der Baader Meinhof Komplex. Wilhelm Goldmann Verlag, München, 8. Auflage 2008, S. 138ff.
6) ebd., S. 124ff.
7) vgl. Wikipedia: Rote Armee Fraktion / Erste Generation
8) Stefan Aust: Der Baader Meinhof Komplex. Wilhelm Goldmann Verlag, München, 8. Auflage 2008, S. 197ff.
9) ebd., S. 198f.
10) vgl. Wikipedia: Mai-Offensive der Rote Armee Fraktion
11) Stefan Aust: Der Baader Meinhof Komplex. Wilhelm Goldmann Verlag, München, 8. Auflage 2008, S. 250.
12) Stefan Aust: Der Baader Meinhof Komplex. Wilhelm Goldmann Verlag, München, 8. Auflage 2008, S. 250.
13) ebd., S. 251ff.
14) ebd., S. 258ff.
15) ebd., S. 263f.
16) ebd. S. 453
17) vgl. Wikipedia: Deutscher Herbst
18) vgl. Wikipedia: Rote Armee Fraktion / Zweite Generation
19) vgl. Wikipedia: Aufnahme von RAF-Aussteigern in der DDR
20) vgl. Verfassungsschutzbericht 1983
21) vgl. Wikipedia: Sprengstoffanschlag auf die Rhein-Main Air Base
22) vgl. Wikipedia: Zeittafel Rote Armee Fraktion
23) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.12.1986
24) vgl. Wikipedia: Helmut Voigt
25) Presseinformation der Staatsanwaltschaft Verden (Aller): Überfall auf Geldtransporter in Stuhr – drei ehemalige Mitglieder der RAF verdächtig Keine Hinweise auf terroristischen Hintergrund, PI Nr. 02/16, Verden 19. Januar 2016