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Review: Raubmord an Hildegard G. ("Undurchsichtige Finanzgeschäfte")

Aus Aktenzeichen XY ... ungelöst - Wiki
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Ein Review von bastian2410 am 21.09.2011
(Original-Beitrag mit Diskussion im XY-Forum)

Der Fall wurde in folgender Sendung behandelt:

Sie liebte das Geld und spielte mit den Männern – Eine undurchsichtige Frau mit vielen Geheimnissen

Viele Männerbekanntschaften, undurchsichtige Finanzgeschäfte, viel Geld, aber auch viele Schulden. Viele Fragen, aber wenige Antworten. Die Kurzbeschreibung eines Mordes, der im Januar 1997 im Nürnberger Stadtteil Gaulnhofen für viel Aufregung sorgte. Auch heute noch gibt der Fall viele Rätsel auf. Auf die Frage, wann das Opfer starb, gibt es bis heute keine klare Antwort. 18 Monate dauert die Suche nach dem Mörder, bis ein DNA-Treffer den Täter überführt. Der Täter – eine genauso gescheiterte Existenz wie das Opfer. Ein spektakulärer, aber auch ein chaotischer Indizienprozess bringt den Mörder schließlich lebenslang hinter Gitter.

Der Fall

Hildegard G., im Januar 1997 56 Jahre alt, lebt im vornehmen Nürnberger Stadtteil Gaulnhofen in einer staatlichen Villa. Bis 1993 arbeitete sie bei der Bundesanstalt für Arbeit, seitdem ist sie pensioniert. Sie lebt seit dieser Zeit unter anderen von undurchsichtigen Finanzgeschäften. Ein glückliches Händchen hat die Frau bei ihren Geschäften jedoch nicht; im Laufe der Jahre haben sich Schulden in Höhe von 500.000 DM angehäuft. Trotzdem pflegt Hildegard G. einen hohen Lebensstandard, Sorgen um ihre Existenz muss sie sich nicht machen. Gläubiger sind wohlhabende Männer, zu denen Hildegard G. gute, teilweise auch sexuelle Kontakte pflegt.

Im Januar 1997 bietet sich für die 56-Jährige die Chance auf ein großes Geschäft und die Möglichkeit, ihre Schulden auf einmal zurückzuzahlen. In dieser Zeit pflegt sie einen intensiven Kontakt zu einem ca. 55-jährigen Mann mit silbergrauen Haaren, der lange Zeit im Mittelpunkt der polizeilichen Ermittlungen stehen wird. Am 12. Januar, zwölf Tage bevor G. tot aufgefunden wird, trifft sie wahrscheinlich den Unbekannten in der Nürnberger Gaststätte "Schalander". Am selben Abend wird sie erneut mit dem Unbekannten gesehen, diesmal an einer Tankstelle in der Innenstadt. Sie kauft einen Sechserpack Eku-Pils und Marlboro-Zigaretten, obwohl sie Nichtraucherin ist.

Am 13. und 14 Januar ist Hildegard G. sehr aktiv und telefoniert viel von ihrem Anschluss in Gaulnhofen. Sie ruft u. a. einen Arzt aus Kassel an, mit dem sie seit 1992 eine Liebesbeziehung unterhält. 3 Jahre zuvor hatte der Arzt dem Opfer 150.000 DM für ein dubioses Geldgeschäft geliehen, das Geld jedoch nie zurückerhalten. An diesem 13. Januar bittet G. ihren Bekannten erneut um ein Darlehen in Höhe von 42.000 DM. Sie spricht von einem großen Geschäft und wäre in drei Wochen in der Lage, ihre kompletten Schulden begleichen zu können. Am nächsten Tag, den 14. Januar, holt sie den kompletten Betrag in bar bei ihrer Bank ab. Am Morgen hatte sich die 56-Jährige bei der Lufthansa bzgl. einer Flugroute in die USA erkundigt. Grund der Reise ist wahrscheinlich das große Geschäft, von dem G. in den letzten Tagen mehreren Leuten erzählt hat. Das größte Rätsel, welches später auch die Ermittlungen erschweren wird, ist die Tatsache, dass die Nürnbergerin die Reise nicht selbst bucht, sondern ein unbekannter Mann, der sich als "Mister G." ausgibt. Ungewöhnlich ist auch die Flugroute: Hildegard G. will am nächsten Tag, den 15. Januar 1997, von Frankfurt nach Miami mit Zwischenstopp in New York und Montreal fliegen. Nach einem Aufenthalt von vier Tagen will sie dann nach Costa Rica weiter- und am 28. Januar wieder nach Frankfurt zurückfliegen. Das Flugticket, welches für den nächsten Tag für die attraktive Frau reserviert wird, wird jedoch nie abgeholt. Als der Flieger vom Frankfurter Flughafen in die Luft steigt, ist Hildegard G. nicht an Bord.

Auch mit einem Arzt aus der Uniklinik telefoniert G. am 14. Januar insgesamt drei Mal. Kurz vor Weihnachten hat sie sich in einem Krankenhaus untersuchen lassen. Der Verdacht: Krebs. Das Ergebnis sollte in diesen Tagen vorliegen, der Befund liegt am 14. Januar jedoch noch nicht vor. Obwohl ihr das Ergebnis der Untersuchung sehr wichtig ist, meldet sich die Frau nicht mehr in der Klinik.

Obwohl G. die Reise in die USA nicht angetreten hat, geht die Polizei zunächst davon aus, dass die Frau in der Zeit vom 15. bis 20. Januar trotzdem verreist ist. Einem Nachbarn, dem sie einen Tag vor der geplanten Abreise ihren Haustürschlüssel für den Notfall übergeben hat, erzählt G., sie wolle für drei Wochen nach Dresden. Diese Aussage wird später noch für viel Wirrwarr sorgen und der Ort Dresden im Prozess eine weitere wichtige Rolle spielen.

Zum letzten Mal lebend gesehen wird die Nürnbergerin laut Zeugenaussagen am 21.01.1997 um 18:30 Uhr, als sie ihr Garagentor schließt – erneut in Begleitung des unbekannten Mannes mit silbergrauen Haaren. Am selben Nachmittag wurde dieser Mann bereits von zwei anderen Zeugen am Haus von Hildegard G. gesehen. Gegen 14:30 Uhr fährt der Unbekannte einen Wagen in die Garage, zwei Stunden später fällt er einer Nachbarin auf, die den Mann vor dem Haus wartend bemerkt.

In dieser Zeit macht sich der Bruder von Hildegard G. Sorgen. Beide haben regelmäßigen Kontakt, am 17. Januar – an dem Tag hat der 67-jährige Bruder Geburtstag – meldet sich seine Schwester nicht. Untypisch, den Geburtstag ihres Bruders hat sie noch nie vergessen. Auch in den nächsten Tagen ist G. nicht erreichbar.

Als er am 24. Januar immer noch nichts von seiner Schwester gehört hat, verständigt er die Polizei und die Feuerwehr. Als die Feuerwehr die Tür aufbricht, weist zunächst nichts auf ein Verbrechen hin. Die Wohnung macht einen aufgeräumten Eindruck, es fällt nur ein gepackter Reisekoffer im Flur auf. Als der Bruder in den Keller geht und den Saunabereich betritt, findet er gegen 23:30 Uhr seine Schwester. Tot. Sie liegt nackt, nur mit Tüchern bedeckt, vor der Sauna, ihre Kleidung findet er gefaltet in einem Nebenraum.

Die Mordkommission Nürnberg wird eingeschaltet. Nach der ersten Leichenschau steht fest, dass Hildegard G. brutal erwürgt wurde und der Kopf anschließend gegen den Beckenrand des Whirlpools geschlagen wurde. Der Tod, so das Ergebnis der Obduktion später, trat jedoch durch Ersticken ein. Der Täter hatte dem Opfer ein Handtuch so tief in den Mund gestopft, dass sie erstickte. Zudem wurden im Magen neben Essensreste auch Spuren von Kokain gefunden. Die Gutachter gehen nach der ersten Obduktion davon aus, dass Hildegard G. bereits zwei bis drei Tage vor ihrem Auffinden ermordet wurde. Die Polizei setzt den Todeszeitpunkt nach den Zeugenbefragungen in der Nachbarschaft auf die Nacht des 21. Januar 1997 fest, da G. das letzte Mal lebend am Abend des 21. Januar vor ihrer Garage gesehen wurde.

In den Zeugenbefragungen erfährt die Kripo dann auch von dem unbekannten Mann mit silbergrauen Haaren, mit dem das Opfer die letzten Wochen vor ihrem Tod häufiger gesehen wurde. Aber auch eine weitere Männerbekanntschaft weckt das Interesse der Kripo: Seit einem Jahr soll das Opfer öfter mit einem etwas jüngerem Mann verkehrt sein. Beide wirkten auf die Nachbarn sehr intim, auch soll der Mann regelmäßig über Nacht geblieben sein. Ein Zeuge kann sich sogar an den Namen des angeblichen Geliebten erinnern: Robert. Die Identität beider Männer kann die Polizei jedoch zunächst nicht klären.

Im Heizungskeller, der an den Saunabereich angrenzt, wird ein blutiger Handschuh gefunden und kriminaltechnisch untersucht. Drei DNA-Spuren werden gefunden: Das Blut stammt von Hildegard G., eine weitere ist von einem Mann, und die dritte ist nicht eindeutig zu identifizieren – eventuell eine Mischspur. Ein Datenabgleich beim BKA in Wiesbaden verläuft jedoch negativ, das Profil ist nicht in der Datenbank gespeichert.

Im Haus des Opfers finden die Beamten zahlreiche Unterlagen und Notizen mit Namen, Adressen und Telefonnummern von Geschäftsfreunden und Männerbekanntschaften. Bald steht fest, dass Hildegard G. nach ihrer Pensionierung als Beamtin nicht nur als Immobilienmaklerin tätig war, sondern höhere Beträge in dubiose Finanzgeschäfte investiert hat. Diese Investitionen wurden jedoch nicht von Erfolg gekrönt, G. hatte bis zur Ihrem Tod Schulden von ca. 500.000 DM angehäuft. Die Beteiligungen etwa an einem "Holiday- und Freizeitclub" oder an Firmen mit Namen wie "World-Wide-Touristik" und "Allfinanz" versprachen hohe Renditen, ausgezahlt wurden diese Renditen jedoch nie. Bereits 1992 wurden die Geschäftsführer in Luxemburg wegen Betrugsverdachts inhaftiert und die Gelder beschlagnahmt. Auch in das pyramidenartig aufgebaute System "Countdown 3000" hatte Hildegard G. Geld gesteckt. Das Glücksspiel funktioniert nach dem Schneeballsystem – solange die Mitspieler immer neue Freunde und Bekannte zum Einzahlen überreden und dadurch selbst in Prämienpositionen aufsteigen. Gegen die nordbayerischen Drahtzieher hatte bereits die Bamberger Polizei ermittelt.

Drei Wochen nach dem Mord startet die Kripo eine Handzettel-Aktion rund um Gaulnhofen mit dem Ziel, weitere Informationen zu den letzten Begleitern zu erlangen. Tatsächlich können sich mehrere Zeugen an den Mann mit den silbergrauen Haaren erinnern. Er soll zum Tatzeitpunkt einen dunklen Mittelklassewagen mit dem Ortskennzeichen K (Köln) oder KS (Kassel) oder auch KA (Karlsruhe) gefahren haben. Anhand von Akten, die in der Villa des Opfers gefunden wurden, stoßen die Beamten auf einen Arzt. Hildegard G. hatte bei diesem Bekannten ca. 150.000 DM Schulden. Er wird für die Polizei deshalb interessant, weil er aus Kassel kommt und Zeugen von einem Mittelklassewagen (evt. BMW) gesprochen haben, der in Kassel zugelassen sei. Zudem hatte er mit G. kurz vor ihrem Tod telefonischen Kontakt. Der 59-jährige Mediziner wird vernommen und sagt aus, dass er mit der attraktiven Nürnbergerin seit fünf Jahren eine unregelmäßige Liebesbeziehung führte und ihr öfter Geld für „irgendwelche“ Geschäfte geliehen hätte. Für welche Art von Geschäften wisse er nicht, nur hohe Renditen sollten sie abwerfen. Geld wiedergesehen hätte er jedoch nie. Eine Rückzahlung sei ihm auch nicht so wichtig gewesen, er habe die Stunden mit Hildegard einfach nur genossen. Geld sei ihm nicht wichtig gewesen, die Beträge, die er G. geliehen hatte, haben ihm nicht wehgetan. Mitte Januar hätte sich dann seine Geliebte wieder bei ihm gemeldet und nach einem Darlehen in Höhe von 42.000 DM gefragt. In diesem Telefonat hatte sie ihm in Aussicht gestellt, dass sie mit Hilfe des Darlehens in der Lage wäre, die komplette Schuld bis zum 25. oder 26. Januar zurückzubezahlen. Gehört habe er von seiner Geliebten nach der Überweisung nichts mehr, seine Anrufe wurden nicht mehr beantwortet. Es wird jedoch schnell klar, dass der 59-jährige Arzt nicht als Täter in Frage kommt: Er kann ein Alibi nachweisen, zudem werden von ihm keine Spuren in der Wohnung bzw. auf dem Handschuh gefunden. Er kann auch nicht der unbekannte letzte Begleiter von Hildegard G. gewesen sein, da die Personenbeschreibung auf ihn nicht zutreffend ist. Die Identität des unbekannten Mannes mit den silbergrauen Haaren bleibt zunächst weiter ungeklärt – genauso wie die Identität des Freundes mit dem Vornamen Robert.

Ein halbes Jahr kommt die Polizei in diesem Fall nicht weiter. Im Juni 1997 bittet die Kripo Nürnberg in der Sendung "Aktenzeichen XY" die Zuschauer um Mithilfe und rekonstruiert die Tat in einem Filmfall. Im Mittelpunkt des Filmfalles steht die Identifizierung des unbekannten Mannes mit den silbergrauen Haaren, der die letzten Tagen mit dem Opfer verbracht hat. Der Mordfall erzeugt hohe Resonanz bei den Zuschauern, es gehen viele Hinweise ein. Die Ausstrahlung kann auch als großer Erfolg bezeichnet werden; viele Fragen der Kripo Nürnberg können dank der Zuschauerhinweise geklärt werden.

Zunächst wird die Identität des letzten Begleiters mit den silbergrauen Haaren geklärt. Zur Überraschung der Kripo handelt sich bei dieser Person um einen 56-jährigen Polizisten aus Nürnberg. Er wird sofort von den Beamten der Kripo Nürnberg vernommen. Der Nürnberger sagt aus, dass er mit Hildegard G. seit 15 Jahren bekannt sei, jedoch nie mit ihr sexuell verkehrte. In all den Jahren haben sich beide noch nicht einmal geduzt. Es war eine Freundschaft per Sie, die aufgrund geschäftlicher Beziehungen Mitte der 80er entstanden ist. Gemeinsame Geschäfte haben beide jedoch seit Jahren nicht zusammen durchgeführt – die Frage der Polizisten, an welchen großen Geschäft G. vor ihrem Tod beteiligt war, konnte er nicht beantworten. Der Polizist wird von den Beamten mit Unterlagen aus der Villa von Hildegard G. konfrontiert, und sie halten ihm eine Quittung für eine Glücksspiel-Veranstaltung vor, unterschrieben vom ihm. Dies sei allerdings nach seiner Aussage eine nachgeahmte Unterschrift. Hildegard G. hätte ihm am Morgen des 14. Januar die Haustürschlüssel gegeben und ihm auch ihr Auto geliehen. Das war das letzte Mal, dass er das Opfer gesehen hat. Zweimal hätte der Polizist in der Villa nach dem Rechten gesehen, hielt sich jedoch nur im Wohnbereich auf. Bei einem weiteren Besuch brachte er das Auto zurück und stellte es in der Garage ab. Weil er jedoch seine Schuhe verschmutzt hatte, ging er nur ins Bad. Für den Tattag kann der 56-jährige Nürnberger kein Alibi vorweisen. Für die Zeit davor, als G. angeblich angeblich verreist war, kann er jedoch belegen, dass er zu dieser Zeit nicht mit G. unterwegs war.

Auch im Knast wird "Aktenzeichen XY" geguckt. Hinweise aus der JVA – nicht selten in der History der Sendung. Diesmal wird die Sendung am 06.06.1997 in der JVA Mainz verfolgt. Stefan L. sitzt dort wegen Autoschieberei ein und teilt sich am diesem Abend eine Zelle mit einen Mann, der kurz nach dem Mord an G. im Februar 1997 mit einem Komplizen den Aldi-Konzern um 4 Mio. DM erpressen wollte. Beide Nürnberger wurden bei der Geldübergabe von der Polizei gefasst und verhaftet; einer war als Geldkurier beteiligt, der andere war der Drahtzieher. Am nächsten Morgen nach der Sendung von Eduard Zimmermann meldet sich L. bei einem JVA-Beamten und berichtet, er kenne den Mörder von Hildegard G. Bei der anschließenden Vernehmung nennt er den Aldi-Erpresser als Informanten, will zunächst aber keine weiteren Details preisgegeben. Der Preis für weitere Information sei eine sofortige Umwandlung seiner Haft- in eine Bewährungsstrafe.

Die Polizei kennt diese Spur. Im Bungalow von G. in Gaulnhofen findet die Polizei bei der ersten Hausdurchsuchung die Adresse eines Mannes, mit dem die Maklerin über zweifelhafte Finanzierungen verhandelt hatte. Der Zeuge wurde von der Polizei verhört, bevor er im Februar wegen der Erpressung verhaftet wurde. G. hatte einem Nachbarn gegenüber geäußert, dass sie nach Dresden reisen will. Die Erpressung des Lebensmittelkonzerns wurde in Dresden zu dieser Zeit vorbereitet. Der als Informant genannte Geldkurier kennt G. gar nicht, der Haupttäter kann für den ganzen Januar ein Alibi vorweisen. Erst der Mithäftling des Geldkuriers Stefan L. stellt diese Verbindung wieder her – zwei ehemalige Geschäftspartner der Maklerin kennen die Motive für die Bluttat.

L., Staatsanwaltschaft und die Kripo Nürnberg werden sich jedoch nicht handelseinig. So behält L. die Information für sich, gibt nur einen Aktenordner heraus, in dem der Name des Mörders zu finden sei und nennt den Ex-Zellengefährten als Informanten. Die Polizei verzichtet in Absprache mit der Staatsanwaltschaft darauf, die Spur weiterzuverfolgen.

Wahrscheinlich auch ein Grund, warum diese Spur nach Dresden von der Polizei abgehakt wurde, ist der Ermittlungserfolg, dass die Polizei einen weiteren Mann aus dem Bekanntenkreis des Opfers identifizieren kann. Es ist der sogenannte Robert, der mit Hildegard G. nach Zeugenaussagen näher bekannt war. Im Juli 1997 wird die Villa des Opfers zwangsversteigert, um die Gläubiger von G. zu befriedigen. Ein Nürnberger Auktionshaus übernimmt die Vorbereitungen für die Versteigerung. In einer Kommode im Wohnzimmer findet die Angestellte des Auktionshauses, sorgfältig eingewickelt in eine rosa Tischdecke und in einem Stapel anderer Leintücher versteckt, neben handschriftlichen Aufzeichnungen vier Überweisungsbelege aus den Jahren 1991 und 1992 – Empfänger: Robert F. im französischen Metz. G. hatte F. im Laufe der Jahre immer wieder Geld geliehen, die Summe beläuft sich auf 65.000 DM. Hinter einen Bilderrahmen findet die Frau Liebesbriefe von G. an den Franzosen. Diese waren bei ersten Hausdurchsuchung durch die Kripo nicht gefunden wurden.

Robert F. wird sofort von der Kripo Nürnberg vernommen. Nach seiner Scheidung hatte sich der 44-jährige in Baden Württemberg niedergelassen. Bevor er nach Baden-Baden umzog, hatte er auch in München gewohnt. In Baden-Baden versuchte er sein Glück als Schmuck- und Antiquitätenhändler, jedoch mit wenig Erfolg. In einem seiner Läden hatte Hildegard G. den Mann in den 80ern kennengelernt. Es kam zu einer Romanze. In seinen Vernehmungen gibt Robert F. jedoch an, G. seit 1989 nicht mehr gesehen zu haben. Für Tattag, den 21.1.1997, gibt er ein Alibi an.

Von Robert F. wird eine Speichelprobe genommen und zur kriminaltechnischen Untersuchung zum LKA eingeschickt. Das Ergebnis ist eindeutig: Im ganzen Haus von Hildegard G. werden Spuren von Robert F. gefunden. Auf einem Handschuh, der in unmittelbarer Nähe der Leiche gefunden wurde, befinden sich DNA-Spuren von F, ebenso auf den Bierflaschen der Marke "EKU-Pils", die Hildegard G. am 12. Januar 1997 an einer Tankstelle in Nürnberg gekauft hatte.

Robert F. gilt jetzt als dringend tatverdächtig, aber überführt ist er noch nicht. Es wird insgesamt noch ein Jahr dauern, bis er festgenommen wird. Insgesamt werden in diesem Zeitraum weitere 450 Personen überprüft, viele Speichelproben werden genommen. Nur Spuren von F. werden jedoch in der Nürnberger Villa gefunden. In diesem Jahr versucht die Polizei alles, um F. zu überführen. Keine leichte Aufgabe, denn der Verdächtige hat ein Alibi, aber auch ein starkes Motiv. Robert F. ist hoch verschuldet, seine Verbindlichkeiten belaufen sich auf über 400.000 DM. G. hatte ihn über die Jahre hinweg immer wieder finanziell unterstützt, das letzte Mal im Jahre 1992 mit einem hohen fünfstelligen Betrag per Postanweisung, die von F. persönlich in Metz abgeholt wurde. Im Laufe ihrer Ermittlungen schafft es die Kripo Nürnberg, Robert F. der Lüge zu überführen. Zeugenaussagen belegen, dass Robert F. ebenfalls die letzten Tage vor dem Mord mit Hildegard G. verbracht hat. Das letzte Mal soll er in Gaulnhofen am 14. Januar gesehen worden sein, einen Tag, bevor G. in die USA fliegen wollte. F. hatte dies in den ersten Vernehmungen jedoch abgestritten. Und eine Tatsache steht auch fest: Am 23. oder 24. Januar 1997, zu einem Zeitpunkt, als Hildegard G. definitiv tot war, muss der Täter wieder in den Bungalow zurückgekehrt sein, um Spuren zu verwischen und einen höheren Geldbetrag, nämlich die Summe, die das Opfer am 14. Januar bei einer Bank im Landkreis Roth abgehoben hatte, gestohlen haben. Staubaufwühlungen und Fingerspuren im Staub belegen diese These, leider hatte der Täter jedoch Handschuhe getragen.

Knackpunkt ist jedoch der Todeszeitpunkt: Zeugen hatten G. am Abend des 21. Januar noch zum letzten Mal gesehen, die Gutachter der Rechtsmedizin konnten einen genauen Todeszeitpunkt jedoch nicht bestimmen. Die Leichenstarre spreche für einen Todeseintritt um den 20. bzw. 21. Januar herum, jedoch wies der Körper der Toten auch Merkmale auf, die auf einen weiter zurückliegenden Todeszeitpunkt hindeuten. Auch die Kripo geht nach dem Tatverdacht gegen F. von einem früheren Todeszeitpunkt aus. Die Beamten sind bereits beim Auffinden der Leiche davon ausgegangen, dass der Koffer für die Reise in die USA nicht von G. gepackt worden war. Das Opfer galt als modebewusst, aber die eingepackten Kleidungsstücke passen nicht zum Modestil von Hildegard G.

Als Robert F. in weiteren Vernehmungen nach längerem Leugnen zugibt, die Nacht vom 14. auf den 15. Januar mit G. in deren Villa in Gaulnhofen verbracht zu haben, wird der Franzose 18 Monate nach der Tat in Baden-Baden festgenommen. Der Haftrichter erlässt 24 Stunden später Haftbefehl wegen Mordes aus Habgier und Unterschlagung.

Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage u. a. wegen Mordes. Am 30. Januar 2001, vier Jahre nach dem Mord an Hildegard G., wird gegen Robert F. der Prozess vor der Schwurgerichtskammer Nürnberg eröffnet.

Der Prozess vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Nürnberg

Fast auf den Tag genau vier Jahre nach der Tat an der attraktiven Nürnbergerin Hildegard G. im Stadtteil Gaulnhofen wird vor dem Landgericht Nürnberg der Mordprozess gegen Robert F. eröffnet. Das Medieninteresse ist in ganz Bayern sehr groß, das Passbild des Opfers ging nach dem Mord durch die Presse. Das Liebesleben und die Tatsache, dass G. durch ihre Liebesbeziehungen einen hohen Lebensstandard pflegte, wurden in der Boulevardpresse ausgeschlachtet. Dementsprechend hoch ist der Zuschauerandrang am ersten Prozesstag.

Die Anklage wirft dem Franzosen, der seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt, Mord und Unterschlagung vor. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte Hildegard G. am 14. Januar 1997 erst Hiebe versetzt und dann ihren Kopf gegen den Rand des Whirlpools geschlagen hat. Anschließend soll er sie gewürgt und ihr ein Handtuch so tief in den Mund gestopft haben, dass sie erstickte. Die Leiche soll er liegen gelassen haben. Grund: Angeblich schuldete Robert F. der Maklerin rund 480.000 Mark, die er nicht zurückzahlen konnte. Zehn Tage später soll er nach Gaulnhofen zurückgekommen sein, um Spuren zu verwischen und 43.500 Mark zu stehlen. Noch am selben Tag wurde die Tote von ihrem Bruder gefunden. Obwohl das Opfer viele Liebesbeziehungen unterhielt und der Kreis der Verdächtigen groß war, fiel schnell der Verdacht auf den Angeklagten. Nur seine Spuren wurden am Tatort eindeutig identifiziert und er hatte das stärkste Motiv. Fast 500 Personen wurden überprüft. Von diesen Personen wurde weder die DNA am Tatort gesichert, noch hatten die Überprüfenden ein Motiv. Nur, weil der Todeszeitpunkt nicht exakt bestimmbar ist, hatten die Ermittlungen solange gedauert. Trotzdem gibt es eindeutige Indizien, dass Hildegard G. in der Nacht zum 15. Januar ermordet wurde. In dieser Nacht war der Angeklagte nachweislich in der Villa. Es gebe keinen Zweifel an der Täterschaft von Robert F.

Robert F. ist bereit, Angaben zur Sache zu machen. Nur zum Tatvorwurf will er sich nicht äußern. Er bestreitet die Vorwürfe mit Vehemenz - er habe Hildegard G. weder getötet noch beraubt. Er habe nie eine einzige Mark von ihr bekommen - weder privat noch geschäftlich. Er könne deshalb zum Tod von G. keine Angaben machen, weil er es nicht war.

Im Mittelpunkt der Befragung steht zunächst der Lebenslauf des Angeklagten. Im Jahre 1979 ließ er sich das erste Mal scheiden. Sein Weg führte über München nach Baden-Baden. Dort betrieb er ein Antiquitäten- und Schmuckgeschäft, jedoch mit wenig Erfolg. In dieser Zeit lernte er auch Hildegard G. kennen. Es folgte eine kurze Affäre kurz nach dem Tode des Ehemannes von G. Nach mehreren heißen Nächten mit dem Opfer folgte eine langjährige Freundschaft ohne Sex. Nach seiner ersten Ehe war er insgesamt 6 Mal verliebt. 1992 zog F. der Liebe wegen nach Russland und heiratete dort zum zweiten Mal Svetlana, 16 Jahre jünger. Dort versuchte er es mit Grundstücksspekulationen. Auch diese Art von Geschäften war nicht besonders erfolgreich gewesen. Reich sei er nicht dadurch geworden, jedoch hatte er nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1996 von russischen Freunden und einem Versicherungsfall Geld zur Verfügung. Pleite, so wie es die Anklage ihm vorwirft, sei er nicht gewesen. Nach seiner Rückkehr nach Baden-Baden arbeitete er als Barmann bzw. Kellner. In dieser Zeit hatte er wieder auch Kontakt zu Hildegard G. und wickelte für sie dubiose Geldgeschäfte ab. Nur aus Freundschaft, und ohne deren Sinn zu erkennen.

Als der Staatsanwalt Robert F. mit den Überweisungsbelegen von G. konfrontiert, schweigt der Angeklagte. Er räumt nur ein, bei den ersten Vernehmungen gelogen zu haben, als er sagte, er habe die Maklerin seit 1989 nicht mehr gesehen. Nach einer Hausdurchsuchung der Kripo wollte er nicht den Verdacht auf sich lenken. Die Nacht vom 14. auf den 15. Januar habe er zwar in der Villa von G. verbracht, als er jedoch am Morgen des 15. das Haus verließ, habe G. noch gelebt. Essen bzw. Drogen soll G. in dieser Zeit nicht genommen haben, lediglich Alkohol. Nach Meinung der Staatsanwaltschaft ein Widerspruch zum Gutachten der Rechtsmedizin, die Essensreste und Kokainspuren im Magen von G. nachweisen konnte. Für den Angeklagten und die Verteidigung eine logische Konsequenz, da G. auch erst später ermordet wurde.

Der Handschuh, der in der Nähe des Opfers gefunden wurde, gehöre ihm. Es könnte jedoch sein, dass er diesen für Arbeiten im Haus oder Garten mal angezogen und dann vergessen habe. Dass seine DNA auf dem Handschuh gesichert wurde, sei für ihn logisch, schließlich gehören ihm diese Handschuhe ja auch.

Für den Zeitraum von 21. bis 24. Januar kann er ein Alibi nachweisen. In dieser Zeit habe F. seine kranke Frau zuhause in Baden-Württemberg gepflegt. Er könne also nicht am 24. Januar in Nürnberg gewesen sein, um in der Villa Spuren zu verwischen bzw. um Geld zu rauben.

Am zweiten Verhandlungstag steht die Frage im Mittelpunkt, wann Hildegard G. umgebracht wurde. Die Gutachter der Rechtsmedizin geben an, dass die Gerichtsmedizin an eine ihrer Grenzen gestoßen ist: Sie kann nicht klären, wann genau Hildegard G. in ihrem Bungalow im Nürnberger Vorort Gaulnhofen ermordet wurde. Je länger eine Leiche liegt, desto schwieriger ist die Todeszeitbestimmung. Zudem erschweren die zunächst hohen Temperaturen im Saunabereich, die in kurzer Zeit dann wieder absinken, eine exakte Bestimmung. Entsprechende Werte in der Fachliteratur seien immer nur Standardwerte, die sich auf ein gleichbleibendes Raumklima von 20 Grad beziehen. Diese lagen in diesem Fall nicht vor. Sollte das Opfer vor Todeseintritt einen Saunagang unternommen haben, davon kann ausgegangen werden, war die Körpertemperatur überdurchschnittlich hoch, der Körper kühlt in diesem Fall auch nach Todeseintritt nicht sofort ab. Die Leichenstarre in G.s Fußgelenken spreche zwar dafür, dass sie drei bis vier Tage vor der Entdeckung gestorben sei. An anderen Körperstellen fanden sich aber Merkmale, die auf einen weiter zurückliegenden Todeszeitpunkt hindeuten.

Todesursache war Ersticken. Das Opfer wurde zunächst gewürgt, und der Kopf wurde dann auf mehrmals auf den Rand des Whirlpools geschlagen. Dies führte zu einer Bewusstlosigkeit. Danach hat der Täter ein kleines Handtuch in den Rachen des Opfers gestopft, wodurch der Erstickungstod sehr schnell eingetreten sei. Interessant ist, dass im Mageninhalt Kokainspuren nachgewiesen wurden. Eine Panne der Gutachter der Rechtsmedizin und der KTU wird vor Gericht von der Verteidigung aufgedeckt: Aus dem Tatortprotokoll geht hervor, dass zwischen den Fingern von G. schwarze Haare gefunden wurden. Analysiert wurden diese Haare jedoch nicht, räumt ein Gutachter vor Gericht ein, Haare vom Tatort wurden in diesem Fall nie im Labor abgegeben.

Die Verteidigung wirft der Kripo eine schludrige Spurensicherung ähnlich wie im Mordfall Claudia Obermeyer vor, der sogenannte Flora-Mord von Röthenbach (FF 3 der Sendung vom 13.9.1991). 1998 wird der Ehemann des Mordopfers in Nürnberg von der Schwurgerichtskammer freigesprochen. Auch in diesem Fall wurde die Arbeit der Kripo von der Verteidigung massiv kritisiert.

Die Verteidigung fordert, dass sämtliche Beweise neu überprüft werden, auch der Handschuh sollte neu analysiert werden, da sich die Methoden der KTU seit 1998 enorm verbessert haben. Der Richter, der auch den Vorsitz im Flora-Mord innehatte, gibt diesem Antrag nicht statt.

In den nächsten Verhandlungstagen werden vor allem Kollegen und Bekannte von Hildegard G. vor Gericht gehört. Es fällt auf, dass sich die attraktive Nürnbergerin von jedermann immer wieder mal Geld geliehen hat, auch von Kollegen der Bundesagentur für Arbeit. So richtig erinnern bzw. über die Geldzuwendungen reden will jedoch keiner vor Gericht.

Der ehemalige Chef von G. sagt aus, dass er der Witwe im Laufe der Jahre ca. 40.000 DM geliehen hat. G. zahlte zwar immer wieder Zinsen dafür, das Geld aber bekam er erst von der Nachlassverwaltung wieder. Dabei hatte ihn die Witwe Anfang Januar nach seiner Bankverbindung gefragt, weil sie die Schulden zahlen wolle.

Zwei weitere Ex-Kollegen der Bundesagentur für Arbeit berichten von ihrer Beziehung zu der lebenslustigen Frau. Der eine, 65-jährig, erinnert sich an Ausflüge in den siebziger Jahren und unterhaltsame Stunden in den Neunzigern. Beim Geld aber streikt sein Gedächtnis. Vor Gericht gibt er immerhin mehr preis als bei der Polizei. Zwischen 20.000 und 40.000 Mark dürfte sich die Maklerin von ihm geliehen haben. Der andere, 72-jährig, hat noch mehr Mühe. Eine Krankheit beeinträchtigt seine Erinnerung. Rund 80.000 Mark hat er G. laut den Unterlagen geliehen.

Auch der Arzt aus Kassel, mit dem G. einen Tag vor ihrer Ermordung telefoniert hat, wird vorgeladen. Der Zeuge unterhielt seit 1992 eine unregelmäßige Liebesbeziehung zum Opfer und lieh ihr in dieser Zeit ebenfalls mehrfach Geld – 1994 insgesamt 150.000 Mark für ein dubioses Geldgeschäft. Eine Rückzahlung des Geldes erfolgte nie, immer wieder wurde der Arzt aus Kassel vertröstet. Aber auch er erzählt vor Gericht lieber von den unterhaltsamen Stunden mit dem Opfer. Was für eine tolle Frau sie gewesen sei. Das Geld war ihm nie wichtig. Nach der Rückzahlung des Geldes gefragt, antwortet der Zeuge, dass er am 14. Januar einen Anruf von seiner Geliebten erhielt und ihm eine Rückzahlung der Schulden in Aussicht gestellt wurde. Unter der Bedingung, dass er ihr innerhalb von 24 Stunden weitere 40.000 Mark geben würde, könnte er am 25. oder 26. seine 150.000 wiederhaben. Doch dann hörte der Arzt nichts mehr von G., bei seinen Anrufen wurde der Hörer nicht mehr abgenommen.

Ein Arzt aus der Uniklinik Erlangen sagt aus, das Opfer hätte am 14. Januar insgesamt dreimal in der Klinik am Maximilianplatz angerufen. G. hatte sich sechs Wochen vor ihrem Tod dort in Behandlung gegeben, es bestand der Verdacht einer Krebserkrankung. Obwohl sie betonte, wie wichtig ihr das Ergebnis sei, und die Klinik sofort beim Vorliegen der Untersuchungsergebnisse anrufen sollte, war die Nürnbergerin danach nicht mehr erreichbar.

Polizisten und Feuerwehrleute, die als erstes am Tatort waren, geben an, dass sie bei Betreten der Villa nicht den Eindruck gehabt hätten, es liege ein Verbrechen vor. Als war sehr aufgeräumt, nur ein gepackter Reisekoffer im Flur fiel auf. Die Leiche wurde vom Bruder von Hildegard G. und von einem Feuerwehrmann im Keller gefunden, danach wurde sofort die Mordkommission eingeschaltet. Bei der nachfolgenden Tatortbesichtigung wurde festgestellt, dass eine Person kurz vor dem Eintreffen der Feuerwehr bzw. der Polizei in der Villa gewesen sein muss. Staubaufwühlungen und Kalkablagerungen in der Spüle in der Küche deuten daraufhin, dass jemand Spuren verwischen wollte. Die Verteidigung fragt einen Polizisten nach dem Verbleib der schwarzen Haare, die laut Gerichtsmedizin in den Händen des Opfers gefunden wurden, jedoch später nie analysiert wurden. Der Polizist, der bei der Spurensicherung Plastiktüten über die Hände der Toten gestülpt hatte, will allerdings dabei keine Haare gesehen haben. Nur ein Haar am Ellenbogen, dunkel wie die Haare der Toten. Diese Haar wurde auch gesichert und später eindeutig als Haar des Opfers identifiziert.

Derselbe Polizist hatte auch den Handschuh in der Nähe des Leichenfundortes sichergestellt. Der Handschuh war nass und blutverschmiert. Er gehörte dem Angeklagten Robert F. Der Handschuh wurde sofort zur kriminaltechnischen Untersuchung ins Labor geschickt. Erneut wirft die Verteidigung der Kripo unsachgemäße Beweissicherung vor. Auf dem Handschuh wurden drei DNA-Profile entdeckt. Das Blut stammte von Hildegard G., ein DNA-Profil konnte dem Angeklagten zugeordnet werden, eine dritte konnte nicht identifiziert werden. Es war eine sogenannte Mischspur, ein einzelnes DNA-Muster konnte nicht 100% separiert werden. Das getrennte Muster ähnelte sehr dem Profil des Polizisten mit den silbergrauen Haaren, für einen Nachweis reichte die Analyse im Gegensatz zu der des Angeklagten nicht. Der Meinung der Verteidigung nach passierte dies wegen einer unsachgemäßen Sicherung des Handschuhs, so dass die DNA vermischt wurde.

Nachdem das Gericht viele Bekannte des Opfers vorgeladen hatte, wurden nun Bekannte und Liebschaften des Angeklagten gehört. Eine von ihnen ist Margrit L., 50 Jahre alt und ebenfalls wohnhaft in Baden-Baden. Sie hatte nach der Scheidung des Angeklagten mit ihm drei Jahre lang ein Verhältnis. Seit dieser Zeit versorgte sie Robert F. unter anderem mit einer Wohnung, einem Auto und viel Bargeld, obwohl die Beziehung zu Ende war und der Angeklagte mit anderen Frauen liiert war. Am 14. Januar hatte sie Robert F. 300 Mark aus der Ladenkasse geliehen. Erst nach seiner Verhaftung hatte sie einen entsprechenden Beleg für die Auszahlung gefunden.

Am fünften Verhandlungstag sagt der beste Freund von F. aus, ein Arzt aus Freiburg. Beide verbindet eine 20-jährige Freundschaft: Anfang der achtziger Jahre lernten sie sich kennen und wohnten anschließend ein Jahr lang in einer Wohngemeinschaft in Freiburg. Er erzählt von den Versuchen seines Freundes, im Antiquitäten- und Schmuckhandel Fuß zu fassen. Robert F. heiratete 1993 in Moskau eine Russin. Dort versuchte der Franzose, eine Import-Export-Firma aufzubauen. Das große Geld verdienen wollte er mit Grundstücksspekulationen: Investoren fand er im Bekanntenkreis seines Freundes, der auch Geld zuschoss. Der Arzt beschreibt seinen Freund als einen Menschen mit Mitgefühl, großzügig, hilfsbereit und immer da, wenn man ihn braucht. Er war nie aggressiv, seines Wissens habe sich nie eine Lebensgefährtin von F. darüber beklagt, er nehme sie aus. Die Ermordete kannte der Zeuge allerdings nicht. Wie Robert F. nach seiner Rückkehr nach Deutschland an Geld kam, konnte der Arzt nicht erklären. Möglicherweise wurde ein großes Grundstück im Moskauer Umland nie erworben, sondern nur gepachtet, und mit Strohmännern zum Schein investiert. Nach der Vernehmung reicht der Zeuge vor Verlassen des Saales dem Angeklagten seine Hand und drückt seine Wange an die des Franzosen – eine echte Männerfreundschaft.

Am selben Verhandlungstag berichten Nachbarn von ihren Beobachtungen. Einige haben einige Tage, bevor G.s Leiche gefunden wurde, einen elegant gekleideten Mann mit graumelierten Haaren in der Hofeinfahrt der Ermordeten bemerkt – Robert F. hingegen hat dunkles Haar. Im Gerichtssaal erkannte ihn keiner. Eine Zeugin hatte vor der Polizei bei einer Vernehmung ausgesagt, sie hätte am 21. Januar Hildegard G. in Begleitung dieses Mannes an der Hofeinfahrt gesehen. Bestätigen konnte sie diese Beobachtungen vor Gericht jedoch nicht.

Die Verteidigung beantragt, weitere Zeugen vorzuladen, die bestätigen können, dass Robert F. am 24. Januar 1997 nicht in Nürnberg war. F. soll an diesem Tag bei seiner kranken Frau gewesen sein, nachmittags soll er jedoch auch einen Wagen der Marke Volvo in einer Werkstatt im badischen Rastatt angeschaut haben. Zwar konnte ein Autowäscher den Angeklagten vor Gericht nicht wieder erkennen, doch stimmte F.s Aussage, dass an diesem Freitag besonders viele Autos durch die Waschanlage fuhren. Ein Kfz-Meister erinnerte sich an ihn zweifelsfrei. Auf ein genaues Datum konnte er sich aber nicht festlegen.

Am Schluss des fünften Verhandlungstages setzt der Richter die Prozessbeteiligten darüber in Kenntnis, dass der Verbleib der Haare, die in den Händen von G. bei Auffinden der Leiche gefunden wurden, später jedoch verloren gingen und so nicht im Labor analysiert werden konnten, nunmehr geklärt ist: Sie wurden in der Gerichtsmedizin falsch abgeheftet und werden zur Zeit gentechnisch analysiert. Das Ergebnis wird bei Vorliegen durch das Gericht in die Verhandlung eingebracht.

Der sechste Verhandlungstag im Mordprozess dreht sich hauptsächlich um die Ermittlungen der Kripo. Wie wandelte sich Robert F. im Visier der Fahnder von einem Zeugen unter vielen zum dringend Tatverdächtigen ab Mitte Juli 1998, wollte das Gericht vom Leiter der Mordkommission im Fall G. wissen. Ein halbes Jahr nach dem Mord kam die Polizei auf die Spur des Angeklagten, zu verdanken ist dies den gründlichen Vorbereitungen einer Angestellten eines Auktionshauses. Das Haus des Opfers in Gaulnhofen sollte im Juli 1997 versteigert werden. In einer Kommode im Wohnzimmer fand die Angestellte des Auktionshauses, sorgfältig eingewickelt in eine Tischdecke und in einem Stapel anderer Leintücher versteckt, neben handschriftlichen Aufzeichnungen vier Überweisungsbelege im Wert von rund 65.000 Mark aus den Jahren 1991 und 1992 – Empfänger: Robert F. im französichen Metz. Daraufhin setzte sich die Kripo mit ihm in Verbindung und vernahm ihn das erste Mal als Zeugen. Hinter einem Bilderrahmen entdeckte die Frau noch mehrere beschriebene Zettel, die der Polizei vorher entgangen waren.

Eine Tankstellenrechnung über eine Sechserpackung Bier und eine Schachtel Marlboro – der Angeklagte bevorzugt diese Marke – vom 12. Januar 1997, zwei Tage vor dem angenommenen Mord, lieferte weitere Indizien. An den Hälsen verschiedener dieser Bierflaschen und im Keller der Ermordeten wurden Fingerabdrücke und Speichelspuren sichergestellt. Eine Analyse der Erbsubstanz deckte sich mit den Spuren an dem blutverschmierten Handschuh F.s, mit dem Spuren am Tatort verwischt worden waren – und den Daten des zu diesem Zeitpunkt noch nicht beschuldigten Zeugen in Baden-Baden. Den Vorwurf der Kripo, der Handschuh sei mit seinen Genen am Tatort gefunden worden, tat er damals als „unmöglich“ ab.

Jedoch lieferte der Angeklagte für den 21. Januar ein Alibi, zudem wurden die Fingerabdrücke vom Erkennungsdienst falsch einsortiert. Erst auf Nachfrage des Kripobeamten klärte sich der Irrtum. Erst von diesem Zeitpunkt an stand Robert F. unter dringendem Tatverdacht. Trotzdem wurden danach noch über 400 Männer überprüft, jedoch wurden nur Spuren von dem Angeklagten in der Villa gefunden. Erst als man davon ausging, dass Hildegard G. früher als bis dahin angenommen ermordet wurde, wurde Robert F. am 16 Juli 1998 in Baden-Baden festgenommen. In einer zweiten Vernehmung räumte der Angeklagte ein, Hildegard G. doch am 14. Januar in Nürnberg getroffen zu haben. Bei seiner ersten Aussage habe es Missverständnisse gegeben, gab er zu Protokoll, und er forderte einen Dolmetscher. Ferner habe er nicht alles ausgesagt. Aus Angst, weil ihm klar wurde, dass er vermutlich der Letzte war, der die Maklerin lebend gesehen hatte.

Der nächste Verhandlungstag hat es in sich: Die Ehefrau des Angeklagten, Svetlana F. sagt aus. Bei der Polizei hatte sie die Aussage verweigert. Nach der Hausdurchsuchung und das Festlegen auf ihren Mann als Täter habe sie den Eindruck gehabt, das geht sowieso alles in eine Richtung. Jetzt vor Gericht wolle sie reden, ihr Mann sei ja schließlich unschuldig. Für den 24. Januar, an dem Tag soll der Mörder in der Villa Spuren verwischt haben, gibt sie ihrem Mann ein Alibi. Sie sei mehrere Tage krank gewesen und ihr Mann habe sie gepflegt. Nachmittags wollte er sich um einen neuen Wagen bemühen.

Dann wird Frau F. zu den Vermögensverhältnissen gefragt. Die Anklage geht davon aus, dass der Angeklagte nach seiner Rückkehr nach Deutschland vermögenslos war. Die Zeugin verneint das vehement. Die Grundstücksspekulationen reichten zum Leben, ihr Mann war immer sehr fleißig. „Wir hatten auch Geld, als wir wieder nach Deutschland umzogen.“ Rund 23.000 Mark von der Versicherungsentschädigung für ein gestohlenes Auto – dazu rund 23.000 Dollar von russischen Freunden. Nach ihren Angaben lag das Geld aber nicht auf einem Bankkonto, sondern zuhause. Eine russische Gewohnheit sei das. In Russland habe man eben kein Vertrauen zu Banken.

Weder das Gericht noch der Staatsanwalt glauben der Zeugin. Die Zeugin kontert wörtlich: „Dass wir in Russland anders leben, anders handeln als die Deutschen, tut mir leid, aber ich kann nichts.“ Die Sache mit dem gestohlenen Auto will der Staatsanwalt genauer wissen. Der Wagen soll einem Angehörigen der Russen-Mafia gehört haben. Beide durften den Wagen benutzen, und eines Tag wurde der Wagen geklaut. Der Mafiosi soll sich auch an den Grundstücksgeschäften beteiligt haben. 1995 wurde er angeblich in Russland erschossen. Das Gericht erwidert, dass diese Geschichte bärenstark sei, der absolute Brüller. „Der stiftet Ihnen ein Auto für 50.000 Mark und stirbt dann auch noch, sodass Sie alles behalten können.“ Ob die Zeugin sicher sei, ob sie bei dieser Version bleiben will, fragt der Richter. Es gebe nach Meinung von F. nichts hinzuzufügen. Auf eine Vereidigung der Ehefrau wird jedoch verzichtet.

Dann zaubert die Verteidigung einen Überraschungszeugen aus dem Hut. Die Rechtsanwälte hatten auf eigene Faust durch Privatdetektive weiter ermittelt. Ein Abonnent der Nürnberger Nachrichten hat über den Mordfall G. in der Zeitung gelesen. Er will Hildegard G. am 19. Januar an einer Tankstelle an der Münchner Straße gesehen haben. Laut Anklage war G. zu diesem Zeitpunkt jedoch schon fünf Tage tot. Der 59-jährige Kaufmann hatte sich erst aufgrund der Berichterstattung in der NN über den Fall mit seiner Beobachtung an die Verteidigung gewandt. Dem Schwurgericht schilderte der Zeuge die Begegnung an der Tankstelle so: Er stand an der Kasse an, da drängelte sich ein junger, durchtrainierter Mann mit blonden Haaren an ihm vorbei. Der Kaufmann ärgerte sich und beobachtete den Rüpel, als der in einen schwarzen Sportwagen einstieg. Der junge Drängler war der Beifahrer; am Lenkrad saß eine schöne Frau mit auffälligen schwarzgelockten Haaren. Weil er kurz darauf an der nächsten Ampel hinter dem Sportwagen stehen blieb, prägte er sich sogar das – ebenfalls auffällige – Kennzeichen ein.

Wenige Tage später sah er Frau und Auto in der Zeitung wieder – als ermordete Maklerin mit ihrem Wagen. Zur Polizei ging er damals nicht. Es hieß, sie sei am 24. umgebracht worden. Da war es nichts Besonderes, dass er sie am 19. gesehen habe. Doch als er jetzt las, dass von einem früheren Todeszeitpunkt ausgegangen wird, meldete er sich. Als Beleg brachte der Nürnberger sogar die Tankstellenquittung von damals mit. „Es war an diesem Tag und es war Frau G. Zu 100 Prozent. Das ist meine Aussage.“

Trotz Nachfragen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft bleibt der Zeuge bei dieser Aussage.

Fortsetzung des Prozesses vor der Schwurgerichtskammer Nürnberg

Trotz der Aussage des letzten Zeugen, der in der Presse als absolut glaubwürdig eingestuft wird, bleibt die Anklage bei der Annahme, dass G. am 14. Januar ermordet wurde.

Dann sagt endlich der Mann aus, der lange im Verdacht stand, der Mörder von Hildegard G. zu sein. Die Befragung des 56-jährigen Polizisten mit den silbergrauen Haaren wurde bereits zweimal verschoben. Vor Gericht sagt der Nürnberger aus, dass er mit dem Opfer seit über 15 Jahren bekannt, aber nicht liiert war. Sie waren all die Jahre auch nicht per Du. Er habe ihr immer wieder bei Handwerker-Arbeiten in Haus und Garten geholfen. Mal unentgeltlich, mal gegen Bezahlung. Dass er Hildegard G. nachgestellt hat, dem widerspricht er vehement. Schon bei seinen Vernehmungen bei der Kripo hatte er sexuelles Interesse an der schönen Witwe bestritten. Begründung: G. habe ihm klar zu verstehen gegeben, dass sie einen anderen Typ Mann bevorzuge.

Am 14. Januar hatte das Opfer dem Polizisten die Hausschlüssel gegeben, weil sie verreisen wollte. Auch ihr Auto hatte sie ihm geliehen. Wohin die Reise gehen sollte, wusste er nicht. Er sei auch nicht der Mann gewesen, der am Frankfurter Flughafen für das Opfer den Flug in die USA gebucht hat. Er hat zwei Mal im Haus nach dem Rechten gesehen, zu einem Zeitpunkt, als G. laut Staatsanwaltschaft schon tot im Keller lag. Nichts habe bei seinen Besuchen auf ein Verbrechen hingedeutet, beim ersten Besuch war er nur im Wohnzimmer. Den Reisekoffer von G. habe er nicht gesehen. Als er bei der Polizei Fotos von den gepackten Sachen sah, war ihm sofort klar, dass Hildegard G. den Koffer nicht selbst gepackt hat. Der Inhalt würde nicht dem Modestil von G. entsprechen. Beim zweiten Besuch brachte er das Auto zurück, ging wegen seiner schmutzigen Schuhe aber nur ins Bad. Auf den Einwand der Verteidigung, der Wagen war innen und außen blitzblank- Kein Anzeichen von einem Fahrer mit schmutzigen Schuhen, weiß der Zeuge kein Antwort, das sei jetzt so lange her. Auch will die Verteidigung vom Zeugen wissen, was er am angeblichen Tattag gemacht hat. Auch hier erwidert er, dass er sich jetzt nach über vier Jahren wirklich nicht mehr erinnern kann. Die Polizei habe ihn damals nicht nach einem Alibi für den Tattag gefragt, nur für die Zeit vom 21.1. bis zum 24.1.1997. Für diese Zeit konnte er ein Alibi nachweisen, die Polizei hatte dies überprüft.

Den Handschuh, den das Gericht dem Polizisten vor Auge führt, kenne er nicht. Er habe diesen auch nie in der Wohnung des Opfers gesehen. Der Verteidiger führt an, dass eventuell Spuren vom Zeugen auf dem Handschuh sind. Er wird jedoch vom Staatsanwalt unterbrochen, der erklärt, dass beim Abgleich der DNA-Spuren mit der Speichelprobe des Zeugen ein ähnliches Profil festgestellt wurde, eine Identifizierung ist nicht ermittelt worden. Im Gegensatz zum Abgleich mit dem Angeklagten. Ob der Zeuge erneut bereit wäre, eine Speichelprobe abzugeben. Die Kriminaltechnik sei heute weiter als 1998. Der 56-Jährige wolle sich das erst noch überlegen. Nach Meinung der Staatsanwaltschaft sind neue Untersuchungen nicht nötig, alle relevanten Spuren wurden mehrmals überprüft.

Die Verteidigung beantragt trotzdem eine neue Gen-Analyse. Spur 20d, nämlich die Mischspur auf dem Lederhandschuh, soll durch eine neue Methode neu untersucht werden. Was nach dem Mord im Januar 1997 technisch noch nicht möglich war, soll nun angewandt werden: Mit einem neuartigen Verfahren können speziell die männlichen Erbanlagen (Y-Chromosome) sogar bei einer mikroskopisch kleinen Spur sichtbar gemacht werden. Das Gericht will über den Antrag beraten.

Das Haar-Gutachten liegt vor. In der Hand von Hildegard G. wurden bei der Spurensicherung Haare gefunden, welche jedoch im Labor falsch einsortiert worden waren. Sie wurden eindeutig dem Opfer zugeordnet.

Auf Antrag der Verteidigung wird eine Zeugenaussage einer verstorbenen Zeugin vorgelesen. Sie hatte am 20. Januar 1997 in der Nähe des Hauses von G. einen großen blonden Mann weglaufen sehen. Diese Aussage hat nach Ansicht der Verteidiger große Bedeutung, da Hildegard G. bereits von einem anderen Zeugen an einer Tankstelle in Begleitung des blonden Unbekannten gesehen wurde. Anzeichen sprechen dafür, dass G. mit dem Unbekannten am 12. Januar im Restaurant "Schalander" gespeist hat. Ein Kellner soll deshalb vorgeladen werden.

Sowohl der Wirt als auch der Kellner werden vorgeladen, können sich jedoch beide nicht an G. bzw. an ihrem Begleiter erinnern.

Um sich ein besseres Bild über das Opfer zu machen, wird vom Gericht ein ehemaliger Geschäftspartner von G. geladen, der früher mit der Nürnbergerin Pyramidenspiele organisiert hatte. Der Trick: So lange immer neue Mitspieler frisches Geld mitbringen, lassen sich Gewinne ausschütten. Den Letzten beißen die Hunde, meint der Zeuge, der in Cowboy-Stiefeln vor Gericht erschienen ist. Er hatte die Maklerin 1990 bei einem Treffen der "Spielleiter" kennengelernt, danach gab es ein Techtelmechtel mit G. "Countdown 3000" oder "Golden Nuggets" hießen die Runden, zu denen in Hotels eingeladen wurde. G. hatte es offenbar verstanden, in ihrem Bekanntenkreis Geld zu sammeln und Männer für das Spiel zu interessieren. Der Zocker-Freund der Maklerin – er sagte Maria zu ihr – beschreibt die Nähe der Spielrunden zum Rotlichtmilieu und erzählt von Schwärmereien der Maklerin für einen Mann, der im Milieu an der Frauentormauer offenbar eine große Rolle spielte. Bei einem seiner Besuche im Wohnhaus der Frau habe er zudem den Eindruck gewonnen, sie konsumiere Kokain.

Er berichtet zudem von einem aufgeregten Anruf eines Unbekannten bei der Frau, der möglicherweise angelegtes Geld von G. zurückgefordert habe. 15.000 Mark blieb die Frau auch einem befreundeten Kaufmann schuldig, mit dem sie Geldtransfers nach Luxemburg organisiert hatte. Bei den Geschäften ging es um angebliche Renditen von 50 Prozent in einem Jahr.

Als gegen die Betreiber der Pyramidenspiele ermittelt wurde und es zu Festnahmen und Verurteilungen gekommen ist, riss der Kontakt zum Opfer ab. Aus der Zeitung erfuhr der Zeuge, dass G. ermordet wurde.

Für die Verteidigung ist der blonde Unbekannte jetzt Tatverdächtiger Nummer eins. Auch wird der Kripo Nürnberg wieder fehlerhafte Ermittlungsarbeit vorgeworfen. Ein Spur führt nach Dresden. Dort wurde kurz nach dem Mord versucht, den Lebensmittelkonzern Aldi um 4 Mio. DM zu erpressen. Dieser Spur wurde nach Ansicht der Verteidigung nicht ausreichend nachgegangen. Auch dann nicht, als nach einer TV-Fahndung in "Aktenzeichen XY … ungelöst" erneut ein Hinweis auf die Täter der Erpressung eingegangen war. Schon nach der ersten Tatortsicherung wurde eine Verbindung des Opfers zu einem der Männer hergestellt. In diesem Umfeld ist auch der blonde Unbekannte zu suchen. Die Verteidigung beantragt deshalb, die Täter der Erpressung und den Zeugen, der den Hinweis nach der TV-Fahndung gab, als Zeugen vorzuladen. Zudem wurde es unterlassen, nach dem Mord Videoaufzeichnungen aus der Tankstelle vom 12. Januar sicherzustellen. Diese Aufzeichnungen hätten weitere Aufschlüsse über den blonden Unbekannten ergeben können.

Um die Glaubwürdigkeit von Zeugen zu untermauern, die Hildegard G. nach 14. Januar noch lebend gesehen haben, hatte die Verteidigung beim Deutschen Wetterdienst die Rekonstruktion eines Protokolls der Nürnberger Witterung im Januar 1997 erstellen lassen. In den Aussagen der Zeugen war von Split gegen Glatteis und von Schnee die Rede gewesen. Der Unbekannte – so Nachbarn – soll Hildegard G. noch zu einem Zeitpunkt besucht haben, als sie nach Meinung der Anklage längst tot war. Diese Angaben werden durch die Wetterkundler bestätigt.

Ein Mittäter der Aldi-Erpressung sagt am nächsten Prozesstag vor der Schwurgerichtskammer aus. Auch die Polizei hatte schon kurz nach dem Mord Anhaltspunkte für diese Verbindung. Intensive Ermittlungen hat es aber offenbar nicht gegeben. Denn erst ein Mithäftling eines Nürnbergers gab den Justizbehörden den Tipp: Zwei ehemalige Geschäftspartner der Maklerin kennen angeblich die Motive für die Bluttat. Der Zeuge war als Geldkurier an der Tat beteiligt und war zusammen mit dem Haupttäter im Februar 1997 festgenommen worden. In der Haft erzählte der Geldkurier einem Zellengenossen von dem Mordfall. Erst der Mithäftling Stefan L. stellte die Verbindung zwischen den Aldi-Erpressern und dem Fall G. wieder her, nachdem die Rätsel um den Mord Thema in der Sendung "Aktenzeichen XY … ungelöst" waren. Bei der anschließenden Vernehmung hatte er den Aldi-Erpresser als Informanten genannt, aber keine weiteren Details preisgegeben. Vor Gericht bestätigt der Zeuge, G. seit 1994 geschäftlich gekannt zu haben. Unter anderem schlug er ihr zwei Geldgeschäfte vor, auf die sie nicht einging. Dann sei der Kontakt abgerissen. Wer G. getötet hat, wisse er nicht. Er habe das auch nie gegenüber seinem Zellenkollegen Stefan L. behauptet.

Ziel war es, die Geschichte der versuchten Erpressung zu vermarkten. Das heißt, sie an Zeitschriften, Boulevard-Zeitungen oder Fernsehsender als Story zu verkaufen. Um die Medien zu ködern, wurde die Geschichte möglichst bunt niedergeschrieben. So landete auch der Name Hildegard G. in den sieben Seiten. Die 55-Jährige war schließlich kurz vor der Erpressung getötet worden; der Fall war medienträchtig, weil ungelöst; einer der Erpresser hatte G. gekannt – ein gutes Lockmittel also. Mehr, so versicherte der 33-Jährige, habe der Tod von Hildegard G. mit der Erpressung nicht zu tun.

Geladen war der Zellengenosse des Aldi-Erpressers Stefan L. Er sei jedoch nach seiner Haftentlassung spurlos verschwunden, nicht auffindbar. Nach Informationen der Verteidigung soll der L. einen Gebrauchtwagenhandel im Landkreis Mayen-Koblenz in der Eifel unterhalten. Erschienen ist der Polizeibeamte, der L. damals mehrmals vernommen und seine Zelle durchsucht hatte. Demnach habe sich L. – der wegen Autoschieberei saß – gemeldet und gesagt, er wisse, wer G. getötet hat. Der Preis für die Information sei eine sofortige Umwandlung seiner Haft- in eine Bewährungsstrafe. L., Staatsanwaltschaft und Polizei wurden sich jedoch nicht handelseinig. So behielt L. die Information für sich, gab nur einen Aktenordner heraus, in dem der Name des Mörders zu finden sei, und nannte den Ex-Zellengefährten als Informanten. Die Polizei verzichtete später, so der Ermittlungsführer, in Absprache mit der Staatsanwaltschaft darauf, die Spur weiterzuverfolgen. Schließlich war „die Geschichte, die L. erzählt hat, äußerst fragwürdig“. Abgehakt wurde auch die mögliche Verbindung G.s zum zweiten Aldi-Erpresser, dem Haupttäter. Der Polizei genügte ein Anruf bei den Kollegen in Koblenz: Nach deren Auskunft hat der Erpresser den ganzen Januar 1997 bei seiner Freundin in Trier verbracht.

Das Gericht gibt an, dass es trotz der Aussage des Kripobeamten Stefan L. als Zeugen vorladen will, und lässt auch weiter nach ihm suchen.

Es gelingt tatsächlich, L. ausfindig zu machen. Am nächsten Tag sagt er vor Gericht aus. Stefan L., 38 Jahre alt und Kfz-Mechaniker, betreibt in der Eifel seit seiner Haftentlassung einen Gebrauchtwagenhandel. Seine Aussagen nach der TV-Fahndung dementiert er zum Teil. Er habe nicht gesagt, dass er den Namen des Mörders kenne. Er habe nur gesagt, dass der Mörder im Umfeld von Hildegard G. zu suchen ist. Es sei eine Art Redensart gewesen, ohne einen konkreten Hintergrund. Stefan L. betont auch, er habe die im Januar 1997 ermordete Maklerin nicht gekannt. Sein gesamtes Wissen über ihren Fall stamme aus zweiter Hand. Er habe sich ausschließlich auf das berufen, was ihm ein anderer Häftling erzählte, mit dem er zwei Tage die Zelle teilte. Dazu kamen die Informationen aus der Fernsehsendung. Er habe dann versucht, dieses Wissen zu seinem Vorteil zu nutzen. Mit der Staatsanwaltschaft wurde man sich nicht einig, und er merkte, dass die Kripo seine Angaben nicht als glaubwürdig eingestufte. So übergab er einen Aktenordner mit dem Hinweis, hier sei der Name des Mörders zu finden. Wie er in den Besitz des Ordners kam, wisse er nicht. Eines Tages lag dieser in seiner Zelle.

Desweiteren hatte sich bei Gericht ein weiterer Zeuge gemeldet. Auch dieser Zeuge will den Mörder kennen. Er nannte sogar dessen Namen – einen führenden Kopf der Pyramiden-Spiel-Szene, in der G. nachweislich verkehrte. Die Verteidigung hatte durch Privatdetektive während des Prozesses immer wieder versucht, Zeugen ausfindig zu machen, die das Opfer nach dem 14. Januar 1997 noch lebend gesehen haben. Doch die Ermittlungen der Polizei entwerten die Information: Demnach saß der Genannte während des gesamten Januars 1997 in Untersuchungshaft. Er kann also nicht der Täter gewesen sein. Das Gericht plant daher nicht, ihn vorzuladen. Außerdem hatten die Verteidiger den Handschuh, der in unmittelbarer Nähe des Opfers gefunden wurde, erneut durch Gutachter untersuchen lassen. Der Handschuh war blutgetränkt und noch feucht, als er gefunden wurde. Die Spezialisten entdeckten an ihm genetische Fingerabdrücke von Robert F. und G. Die Gutachter der Verteidiger hatten – zur Überraschung aller – die Spur einer weiteren Frau gefunden.

Erneut stellt die Verteidigung den Beweisantrag, sämtliche Spuren erneut zu untersuchen und zudem den Gutachter aus München als Zeugen vorzuladen. Diese Behauptung widerspreche dem, was das Gericht hier bisher gehört habe. Über den Beweisantrag werde am nächsten Verhandlungstag entschieden.

Der Gutachter, der von der Verteidigung bestellt wurde, sagt aus, dass durchaus Spuren aus der Tatwohnung von einer Frau stammen könnten. Eine hundertprozentige Sicherheit kann er allerdings nicht geben, die Mischspur vom Handschuh könne nicht ausreichend isoliert werden.

(Anm: Die Verteidigung hatte beantragt, auch den zweiten Aldi-Erpresser vor Gericht vorzuladen. Leider kann ich nicht ausreichend belegen, ob diesem Antrag stattgegeben wurde. Ich hatte gehofft, zu dieser Frage einen weiteren Zeitungsartikel zu finden, leider ohne Erfolg. Als Quelle für diesen Fall dienten mir auch zwei Kollegen, die den Prozess damals als Rechtsreferendare verfolgt hatten. Leider konnten auch die Kollegen nur ungenaue Angaben machen. Ich habe mich daher entschlossen, diesen Teil des Prozesses in diesen Review nicht zu berücksichtigen.)

Ein 50-jähriger Kaufmann aus Bremen sagt aus und bestätigt, dass das Opfer in den neunziger Jahren tatsächlich viel Geld bei windigen Geschäften verloren hat. Der Zeuge war damals Chef einer Firma in Luxemburg. Angebliches Ziel der Firma: Geld einsammeln und in Tourismus-Projekte investieren. Im Gegenzug sollten die Investoren undefinierbare Vergünstigungen bekommen. Hildegard G. steckte eigenes Geld hinein und das von Bekannten. Die Firma sammelte in gut einem Jahr zwei Millionen Mark. Investiert wurde nie etwas. Ein Geschäft nach dem Schneeball-System? Das wird von der Staatsanwaltschaft behauptet, sagte der Ex-Firmeninhaber. Die Luxemburger Staatsanwaltschaft ließ jedenfalls alles hochgehen. Sie verhaftete die Inhaber und beschlagnahmte das Geld. So konnte der Kaufmann auch, als er aus der U-Haft entlassen worden war, G. nicht auszahlen. Über 100.000 Mark hatte die Maklerin ihm anvertraut. Es könnte auch mehr gewesen sein. G. war noch an einem anderen Projekt beteiligt, das 50 Prozent Rendite bescheren sollte. Das platzte ebenfalls.

Dann sagt ein weiterer Geliebter des Opfers aus. Der Makler aus München hatte G. Anfang der 80er kennengelernt. Zwei Jahre lang war er ihr Lebensgefährte, führte sie in die Maklerei ein, wohnte bei ihr und half ihr beim Umbau ihres Bungalows. Von einem Polizisten ließen sie sich über Sicherheitsvorkehrungen beraten. Dieser Polizist verliebte sich laut dem Makler in G. „Er war hinter ihr her, aber sie wollte nichts von ihm.“ Der Polizist sei oft ins Haus gekommen. G. habe ihn für handwerkliche Dinge gebraucht und daher sein Interesse an ihr geschürt. Dem Münchner war das nicht recht: „Ich habe ihr geraten, wenn Du nichts von ihm willst, lass ihn in Ruhe.“ Ihre Antwort: „Ich halte ihn mir schon vom Leib.“ Während der Münchner Makler 1993 den letzten Kontakt mit Hildegard G. hatte, ist ihr der Polizist wohl treu geblieben.

Nach insgesamt 3,5-monatiger Prozessdauer und 22 Verhandlungstagen werden die Plädoyers gehalten. Die Verteidigung fordert einen Freispruch – analog der Beweislage im Prozess um den Flora-Mord. Auch damals musste das Gericht den angeklagten Ehemann des Opfers freisprechen. Grund für den Freispruch war nach Ansicht der Verteidiger die schludrige Spurensicherung der Kripo im damaligen Fall. Auch in diesem Mordfall muß man der Kripo ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Gegen den nicht geständigen Angeklagten Robert F. sei einseitig ermittelt worden; wichtige Dokumente im Bungalow der Ermordeten wurden erst bei der Auktionsvorbereitung ein halbes Jahr nach dem Verbrechen gefunden; die Aussagen eines Polizeibeamten, der bei der Witwe Hausmeisterdienste verrichtet hatte, müssen in Zweifel gezogen werden. Spuren nach Dresden zu einem Erpressungsfall und zu den früheren Geschäftsbeziehungen des Opfers in Pyramiden-Spielsystemen wurde nie nachgegangen. Die Kripo hat sich früh auf den Angeklagten „eingeschossen“, weitere Verdächtige wurden vorschnell als Täter ausgeschlossen. Auch hat die Kripo Zeugenaussagen ignoriert, Beweise, die den Angeklagten entlasten könnten, wurden nicht gesichert. So hätte die Polizei Videoaufnahmen von einer Tankstelle sicherstellen müssen, als klar war, dass das Opfer nach dem 14. Januar noch von Zeugen an einer Tankstelle in Nürnberg gesehen wurde. Der von der Anklage zugrunde gelegte Todeszeitpunkt sei in der Hauptverhandlung widerlegt worden. Die Gutachter konnten den genauen Todeseintritt nicht bestimmen, mehrere Zeugen haben das Opfer noch gut eine Woche nach ihrem angeblichen Tod in der Innenstadt und vor ihrem Haus gesehen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass G. in der Nacht zum 15. Januar ermordet wurde. Für die Zeit nach dem 15. Januar hat der Angeklagte ein Alibi.

Auch ein Motiv ist nicht erkennbar, der Angeklagte war in keiner fianziellen Not. Da gibt es geprellte Anleger und betrogene Ehefrauen, die eher ein Motiv haben könnten. Was ist aus den 480.000 Mark geworden, die Hildegard G. nach eigenen Angaben im Januar 1997 erwartete, und mit denen sie ihre Schulden begleichen wollte? Und woher sollte die riesige Summe kommen – aus einem Honorar? Wer ist der große Blonde, von dem Zeugen sprechen? Gegen den Angeklagten spricht zwar, dass es nach seiner Abreise aus Nürnberg keine Telefonate mehr aus dem Bungalow der Witwe gegeben hat. Aber wer war der Unbekannte, mit dem Hildegard G. am 15. Januar 1997 über New York und Miami nach Costa Rica fliegen wollte? Ein "Mr. G." hatte den Flug am 14. Januar, mittags, vom Anschluss der Witwe aus telefonisch gebucht. Dass es der Angeklagte war, konnte nie bewiesen werden. Er war es auch nicht. Die Beweise, die die Staatsanwaltschaft in diesen Prozess vorgebracht hat, können alle widerlegt bzw. zumindest erklärt werden. Die Verteidigung fordert somit einen Freispruch. Nicht aus Mangel an Beweisen, sondern einen Freispruch wegen erwiesener Unschuld. Am Schluss des Plädoyers richtet der Verteidiger sein Wort an das Gericht und kritisiert die frostige Verhandlungsführung des Vorsitzenden, wie er es in dieser Frostigkeit und Aggressivität in seiner Anwaltslaufbahn noch nicht erlebt habe. Zudem sei das Gericht nicht an der Wahrheit interessiert und voreingenommen.

Die Staatsanwaltschaft fordert für den Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes. Zunächst lobt die Anklage – als Antwort auf das Plädoyer der Verteidigung – die Arbeit der Kripo. 223 Spuren am Tatort plus 460 Spuren in den Folgeermittlungen haben dazu geführt, dass dem Angeklagten hier in Nürnberg der Prozess gemacht werden kann. Nur seine Spuren wurden am Tatort gefunden. Auch die Gutachter, die von der Verteidigung bestelt wurden, sind zu diesem Ergebnis gekommen. Der Todeszeitpunkt konnte zwar nicht genau durch die Gutachter bestimmt werden, jedoch wurden bei der Obduktion Hinweise gefunden, die für den 15. Januar als Zeitpunkt des Todeseintritts sprechen. Zudem werde dieser Todeszeitpunkt durch weitere Auffälligkeiten unterstrichen: Ab dem 15. Januar wurden von dem Opfer keine Telefonate mehr geführt, wichtige Termine u. a. ein Termin in der Uniklinik, wurden nicht wahrgenommen, und G. hat sich ab diesem Zeitpunkt auch nicht mehr bei Freunden und Familienangehörigen gemeldet. Ungewöhnlich für die kontaktfreudige Frau.

Sämtliche mögliche Verdächtige, die die Verteidiger im Prozess aufgerufen haben, konnten schließlich als Täter ausgeschlossen werden. Der Versuch, den großen Unbekannten ins Spiel zu bringen ist gescheitert. Alle Spuren vom Tatort weisen nur auf einen Täter hin: den Angeklagten. Die Tat ist als Mord einzustufen. Der Angeklagte hatte hohe Schulden und wollte Hildegard G. bestehlen, da er wusste, dass sie am Tag davor einen großen Geldbetrag von Bank abgeholt hatte. Mordmerkmal ist somit Habgier. Heimtücke sei nicht zu beweisen, da man davon ausgehen kann, dass das Opfer zum Tatzeitpunkt nicht arg- und wehrlos war. Trotzdem liegt ein Mord aus Habgier vor, in Tateinheit mit schwerem Raub mit Todesfolge, und eine lebenslange Haft sei die logische Konsequenz dieser Tat. Zudem beantragt die Staatsanwaltschaft die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.

Am 21. Mai 2001 spricht das Schwurgericht Nürnberg das Urteil und verurteilt den Angeklagten zu einer lebenslangen Haft wegen Mordes aus Habgier und schweren Raubes mit Todesfolge. Für das Gericht ist es nach dem dreieinhalb Monate dauernden Indizienprozess erwiesen, dass der Restaurator die 55-jährige Witwe in der Nacht vom 14. auf den 15. Januar 1997 in ihrem Bungalow im Nürnberger Vorort Gaulnhofen aus Habgier erschlagen und erwürgt hat. Motiv: Habgier. Weil er mittellos von einem Aufenthalt in Russland zurückgekommen war, hat der Angeklagte zum einen Schulden an G. nicht zurückzahlen wollen. Zum anderen wollte er ihr 40.000 Mark Bargeld stehlen. Das Gericht ist der gleichen Meinung wie die Staatsanwaltschaft: Nur Spuren vom Angeklagten wurden am Tatort sichergestellt, weitere Verdächtige konnten als Täter ausgeschlossen werden. Auch wenn der Todeszeitpunkt nicht bestimmt werden konnte, spreche doch vieles für ein Todeseintritt in der Nacht zum 15. Januar 1997. Der Täter ist der, der zum Tatzeitpunkt am Tatort war. Für die Richter war Robert F. zum Tatzeitpunkt am Tatort. Für das Gericht steht fest: Die 55-jährige Witwe wurde in der Nacht des 14./15. Januar 1997 umgebracht – in der Nacht, in der Robert F. sie besucht hatte. Zeugen können sich täuschen, objektive Fakten nicht. Die Tatsache, dass die stets telefonierende Maklerin ab dem 15. Januar plötzlich nicht mehr telefonierte, dass sie ihre Post nicht mehr öffnete und ihre Faxbelege nicht mehr einsortierte, zählte für das Gericht mehr als die Aussagen vieler Nachbarn, die G. noch bis zum 21. Januar gesehen haben wollen. Das waren alles zufällige Beobachtungen. Keiner hat mit G. gesprochen. Daher, so der Schluss, haben sich diese Zeugen in der zeitlichen Einordnung ihrer Beobachtungen geirrt.

Die Handschuhe haben für das Urteil trotzdem keine besondere Bedeutung. Viel mehr Bedeutung hat dagegen das eindeutige Täterwissen des Angeklagten. Täterwissen, das er demnach schon hatte, als die Polizei ihn im August 1998 in Baden-Baden verhaftete – obwohl er bestreitet, damals vom Tod G.s gewusst zu haben.

Auch das Motiv ist für das Schwurgericht klar: Robert F. war mittellos aus Russland zurückgekommen. Er hatte sich seiner Freundin, und nach Überzeugung des Gerichts auch Geliebten, G. erinnert, die ihm in den 80er Jahren bereits 400.000 Mark überlassen hatte. Geld, das der Angeklagte gewinnbringend anlegen sollte. Das er aber für seinen eigenen Lebensunterhalt verbraucht hat. Jetzt benötigte er wieder Geld. So fuhr er am 11. Januar nach Nürnberg, veranlasste G., 40.000 Mark Bargeld zu beschaffen, versprach ihr eine Reise nach Amerika, um dort die 400.000 Mark plus Gewinn zu holen – und erschlug und erwürgte die Maklerin dann in ihrem Saunakeller. Er nahm das Geld und floh. Dass er, wie von Staatsanwalt angenommen, noch einmal zurückkam, hält das Gericht für möglich, aber nicht für bewiesen. Erwiesen ist: Nach dem 14. Januar hat sich Robert F. nie mehr bei G. gemeldet. Weil er wusste, dass sie tot war. Und er wusste es, weil er sie umgebracht hatte.

Am Ende der Urteilsbegründung richtet der Richter das Wort an die Verteidigung und wehrt sich gegen den Vorwurf, das Schwurgericht sei voreingenommen gewesen. Der Vorwurf sei schon fast infam. Das Gericht weist damit Anschuldigungen der beiden Anwälte des Angeklagten Robert F. zurück, das Gericht habe sein Urteil schon lang vor Prozessende gefällt. Der Richter sagt, der Vorwurf der frostigen Verhandlungsführung betreffe ihn persönlich, treffe ihn aber nicht besonders. Das Gericht habe alles versucht, eine sachliche Atmosphäre zu schaffen. Der Vorwurf der Voreingenommenheit allerdings trifft sehr. Die drei Berufsrichter der fünfköpfigen Kammer hätten sich aus den Akten ein Bild machen müssen. Die beiden Schöffen dagegen hätten die Akten nicht gekannt. Sie können also gar nicht voreingenommen gewesen sein. Die zwingende Aktenkenntnis der Berufsrichter ändere nichts daran, „dass wir selbstverständlich bereit sind, alle Indizien noch einmal in der Hauptverhandlung vortragen zu lassen.“ Dahingehend habe das Gericht Aufwand durchaus nicht gescheut.

Die Verteidigung legt form- und fristgerecht beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe Revision gegen das Urteil ein. Im April 2002 wird die Revision von den Karlsruher Richtern jedoch verworfen, das Urteil wird mit dieser Entscheidung rechtskräftig.

Lange hat es gedauert, nun ist auch der dritte Teil des Prozessreviews zum Mordfall G. fertig. Ob das Review jetzt die großen Enthüllungen hervorbringt, wie von vielen Usern dieses Forums gewünscht, weiß ich nicht. Das soviele Unklarheiten in diesem Mordfall bestehen, liegt wohl auch daran, dass viele Fragen auch durch den Prozess nicht geklärt werden konnten. Der Prozess in Nürnberg gibt auch nach der Verurteilung Raum für Spekulationen. Aber Mordprozesse in Nürnberg in xy-Mordfällen sind immer ein Spektakel. Der sogenannte Flora-Mord, der Mord im Cafe Dampfnudelbäck und der Fall G. – immer reine Indizienprozesse, immer ein Schlagabtausch zwischen Verteidiger und Staatsanwalt und Urteile, die bei Rechtsexperten für viel Diskussionsstoff sorgen. Ich glaube aber, dass das Urteil in diesem Mordfall richtig ist und der Richtige verurteilt wurde. Ich meine aber auch, dass der in der Anklageschrift zugrunde gelegte Tatablauf ein anderer war, G. starb m. E. später und nicht am 15. Januar 1997. Die Ansicht des Schwurgerichts, dass sich Zeugen irren, teile ich nicht. "Ein" Zeuge kann sich irren, wenn aber mehrere absolut glaubwürdige Zeugen unabhängig voneinander das Gleiche behaupten, darf das ein Gericht nicht als einen "Irrtum" abstempeln und diese Tatsache ignorieren, nur weil Tatortspuren ein anderes Bild zeigen. Ich bin sowieso ein Verfechter davon, alleine anhand von Ergebnissen der Kriminaltechnik ein Urteil zu begründen. So gesehen wäre auch ein Freipsruch möglich gewesen. Hätte sich die Verteidigung mehr auf ihre Hauptaufgabe konzentriert, nämlich beim Gericht Zweifel an der Schuld des Angeklagten hervorzurufen, anstatt einen möglichen Täter zu präsentieren, wäre das wohl auch wirklich so gekommen. Die Tatsache, dass die Verteidigung im ganzen Prozessverlauf immer wieder mögliche Täter präsentierte, die jeweils im Prozessverlauf als Täter ausgeschlossen werden konnten, hat m. E. auch der Glaubwürdigkeit des Angeklagten geschadet. Das ist jedoch eine subjektive Meinung von mir. Viele Fragen bleiben jedoch unbeantwortet, den genauen Tatablauf werden wir wohl nie erfahren.

Der Mörder von Hildegard G. sitzt seine Strafe (wahrscheinlich) in seinem Heimatland Frankreich ab. Er hatte nach Rechtskraft des Urteils einen entsprechenden Antrag gestellt. Sollte F. seine Strafe in Deutschland absitzen, kann er 2012 einen Antrag stellen, dass die Reststrafe 2013 nach 15 Jahren Haft zur Bewährung ausgesetzt wird.

Quellennachweise

  • Nürnberger Nachrichten, Ausgaben vom Februar 1997 bis April 2002
  • Pressemitteilungen des LG Nürnberg von August 1998 bis Mai 2001
  • Fallsammlungen der Landgerichte Baden-Württemberg
  • BGH-Urteil von April 2002
  • Kollegen, die als Rechtsreferendare den Prozess mitverfolgt haben
  • Ganz besonderen Dank an den Kundenservice der Nürnberger Nachrichten, die mir sehr bei den Recherchen geholfen haben und den ein oder anderen Nachmittag mit mir am Telefon verbracht haben. Ich habe die nette Dame eingeladen, das Review in unserem Forum zu lesen.

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